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Schlagworte: Umfrage, Besucherlenkung

Bilanz von Besucherlenkungsmaßnahmen in Bayern

Von Anna Eva Lehneis, 28. Juli 2022

© iStock.com/ronstik

Wie beurteilen bayerische Tourismusakteur*innen den Erfolg von bereits durchgeführten Besucherlenkungsmaßnahmen? Wie werden zukünftige Entwicklungen im Feld der Besucherlenkung bewertet? Zu diesen Fragen hat das Bayerische Zentrum für Tourismus Akteur*innen aus Tourismusverbänden, Destinationsmanagement, National- und Naturparks und touristischen Betrieben, die bereits Maßnahmen zur Besucherlenkung umsetzen, im Mai und Juni 2022 befragt. Ziel der Befragung war es, den Erfolg der bereits umgesetzten Maßnahmen zu ermitteln und aufzuzeigen, welche positiven Effekte in den einzelnen Regionen verzeichnet werden konnten. Die Antworten der 16 Teilnehmer*innen aus ganz Bayern zu insgesamt 35 verschiedenen Maßnahmen zur Besucherlenkung werden hier in einem Stimmungsbild zusammengefasst.

Positive Effekte der Besucherlenkungsmaßnahmen

Die Befragungen des Bayerischen Zentrums für Tourismus zeigen, dass durch die umgesetzten Besucherlenkungsmaßnahmen bei allen befragten Akteur*innen positive Auswirkungen beobachtet werden konnten. Diese unterscheiden sich je nach den gesetzten Zielen der einzelnen Maßnahmen.

  • Beispielsweise beobachtet der Tourismusverband Oberbayern München, dass durch die Besucherlenkungskampagne Geheimatorte eine Verlagerung der Besucherströme zu beobachten ist – von den touristischen Hotspots, hin zu „besucherärmeren Regionen“. Damit einhergehend kann auch eine Entlastung der Verkehrsinfrastruktur beobachtet werden, die sich vor allem in weniger vollen Straßen und weniger überfüllten Regionen und touristischen Attraktionen zeigt. Zusätzlich wird durch die Verlagerung auch die touristische Wertschöpfung auf die weniger touristischere Regionen ausgeweitet.
  • Ähnliche Effekte kann auch der Tourismusverband Franken beobachten. Mit der Kampagne Hidden Places werden Besucher*innenströme weg von „bekannten Sehenswürdigkeiten“ gelenkt und somit erfolgt eine „bessere Verteilung der Gäste“.

Über die beiden hier angesprochenen Kampagnen werden den Besucher*innen Alternativen vorgeschlagen, die die Aufmerksamkeit weg von touristisch hoch frequentierten Orten lenken sollen. Neben der Verteilung von Besucher*innenströme können auch andere Akteur*innen positive Effekte beobachten, die mittels einer Besucherlenkung erreicht werden.

  • Beispielsweise zeigt sich im Nationalpark Bayerischer Wald, dass durch die Umsetzung des Gästeservice Umwelt-Tickets (GUTi) eine erhöhte Akzeptanz des ÖPNV bei Urlaubsgästen erzielt wird. Diese wird unterstützt durch die Sperrung von bestimmten Zufahrtsstraßen zu bestimmten Wanderausgangspunkten.

Resultierend aus vielen positiven Effekten und durch das Erreichen der gesetzten Ziele, signalisieren die befragten Akteur*innen, dass die Maßnahmen auch in Zukunft weiterhin für eine aktive Besucherlenkung umgesetzt werden sollen.

Zukünftige Entwicklungen im Segment der Besucherlenkung

Auch zukünftig soll dem Thema Besucherlenkung eine hohe Bedeutung zugesprochen werden. Die Befragungen zeigen allerdings, dass der Fokus weniger auf der Konzeption und Einführung neuer Maßnahmen liegt, sondern vielmehr auf der Weiterentwicklung der bestehenden und bereits erfolgreichen Maßnahmen. Ein Grund, der für eine stetige Weiterentwicklung der Maßnahmen angeführt wird, ist die sich ständig ändernde Ausgangslage in den Destinationen in Bezug auf die Besucher*innenströme, die insbesondere durch die saisonalen Schwankungen gekennzeichnet sind. Ziel der Maßnahmen soll es sein, den maximalen Nutzen für die Region, die Besucher*innen und die Bevölkerung vor Ort zu generieren.

  • Beispielhaft können hier die Entwicklungen bei den Oberstdorf Kleinwalsertal Bergbahnen angeführt werden. Die Betreiber haben ein Konzept zum Parkraummanagement initiiert, mit dem Ziel, das Verkehrsaufkommen in den beteiligten Regionen zu steuern und Informationen zu den aktuellen Auslastungen der Parkplätze an potenzielle Besucher*innen auszugeben. Zwar konnten an allen relevanten Parkplätzen Zählsysteme angebracht werden, jedoch befindet sich das System noch im Aufbau. Besonders muss die Datengrundlage erweitert werden, um tatsächlich aussagekräftige Daten an die Besucher*innen weitergeben zu können. Dazu müssen die Standorte der Zählsysteme und Beschilderungen ständig evaluiert und weiterentwickelt werden.
  • Ein Beispiel für die Weiterentwicklung einer bereits bestehenden Besucherlenkungsmaßnahme ist die Recovery-Strategie des Tourismusverbands Franken. Mit der Instagram-Kampagne Hidden Places werden Besucher*innen Geheimtipps und Alternativen zu den hoch frequentierten Hotspots angeboten. In einem späteren Schritt wurde das Projekt um drei zusätzliche Bereiche „Hidden Cities“, „Hidden Areas“ und „Hidden Spas“ erweitert. Laut Aussage des Tourismusverbands Franken „dienen [diese] ebenfalls zur Lenkung von Besuchern in den fränkischen Städten, den fränkischen Urlaubsgebieten und im ‚Gesundheitspark Franken‘.“
  • Beispielhaft für die Fortentwicklung einer Besucherlenkungsmaßnahme ist der Ausflugsticker Bayern, der von der Bayern Tourismus Marketing GmbH entwickelt wurde. So konnte seit der Einführung eine zunehmende Digitalisierung der Ausflugsziele mittels Sensorik-Technologie erreicht werden. Allerdings erfolgen weiterhin viele Meldungen der Daten im Ausflugsticker Bayern händisch. Ziel ist es hier, den Ausflugsticker Bayern weiterzuentwickeln, um beispielsweise gezieltere Informationen über Push-Benachrichtigungen an die Besucher*innen auszugeben. Zusätzlich soll durch eine stärkere Integration von Daten des ÖPNV, Informationen in Echtzeit für die Nutzer*innen bereitgestellt werden.

Bei anderen Maßnahmen konnten auch durch eingegangene Kooperationen eine stärkere Einbindung von Partner*innen, eine größere Reichweite der verschiedenen Kampagnen und Maßnahmen erzielt werden.

  • Beispielhaft kann hier die Kampagne Geheimatorte von Tourismus Oberbayern München angeführt werden. Zum einen wird diese stetig um neue Orte erweitert, zum anderen wurde die Kampagne um eine Kooperation mit dem Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) ergänzt, um Besucher*innen nicht nur abseits von touristischen Hotspots zu lenken, sondern auch möglichst die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmittelen zu gewährleisten.

Besonderheiten naturbezogenen Besucherlenkungsmaßnahmen

Eine Besonderheit stellen bei diesen Befragungen die naturbezogenen Besucherlenkungsmaßnahmen dar. Hierbei handelt es sich um informative Besucherlenkungsmaßnahmen, die darauf abzielen, eine „erhöhte Aufmerksamkeit und Sensibilität auf das Thema naturverträgliches Verhalten“ zu erreichen. Zusätzlich steht der Schutz der Natur und der Tiere im Vordergrund. Auch diese Maßnahmen werden in ihrer Gesamtheit mit gut bewertet und zukünftig weiter umgesetzt. Durch eine aktive Besucherlenkung konnte in den betroffenen Gebieten ein Rückgang bei den Verstößen gegen naturschutzrechtliche Regulierungen beobachtet werden.

  • Beispielsweise konnte dieser Rückgang in Bad Tölz durch den Einsatz von Rangern im Naturschutzgebiet erreicht werden.
  • In der Region Chiemsee Alpenland konnte im Zuge der Sensibilisierungskampagne Servus auf der Alm eine stärkere Tourismusakzeptanz vor Ort beobachtet werden. Grundlegend dafür war die öffentliche Aufmerksamkeit, die durch diese Kampagne entstanden ist. Daraus resultierte eine merkliche Bereitschaft von verschiedenen Verbänden, Institutionen und Grundeigentümer*innen zu einer Zusammenarbeit im Bereich der Besucherlenkung.

Fazit

Die Befragung des Bayerischen Zentrums für Tourismus zeigt, dass auch im Sommer 2022 eine aktive Besucherlenkung bayernweit eine bedeutende Rolle spielen wird und die bereits laufenden Projekte weiterentwickelt werden müssen, um einer erneut steigenden Nachfrage durch die Tourist*innen gerecht zu werden. Zu den bereits bestehenden Besucherlenkungsmaßnahmen kann zwischenzeitlich eine durchwegs positive Bilanz gezogen werden. Dennoch wirken saisonale Schwankungen, Witterungsbedingungen und andere externe Einflüsse, wie beispielsweise die Einführung des 9-Euro-Tickets für den ÖPNV, auf die Zahl der Besucher*innen und die betroffenen Orte unterschiedlich ein und stellen somit die bestehenden Strukturen und Maßnahmen in den Regionen vor neue Herausforderungen.

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