Mobilfunkdaten-Analyse

In der Tourismusbranche ist das Thema Besucherlenkung in den letzten Jahren vermehrt in den Fokus von Destinationen gerückt. Vor allem ein erhöhtes Gästeaufkommen als Folge der coronabedingten Reisebeschränkungen hat in vielen Tourismusregionen die Notwendigkeit von Lenkungsmaßnahmen zur Regulierung des Besucheraufkommens deutlich gemacht. Als Voraussetzung für die Entwicklung von effektiven Maßnahmen wird vor allem eine umfassende Datenbasis gesehen, anhand derer das Mobilitätsverhalten analysiert sowie Hotspots mit hohem Besucher- /Gästeaufkommen identifiziert werden können. Die Hoffnungen liegen dabei vor allem auch auf der Nutzung von Mobilfunkdaten. Die Messung von Besucherströmen auf Basis der Mobilitätsbewegungen von Mobilfunknutzern erscheint ein vielversprechender digitaler Ansatz zu sein.

Das Bayerische Zentrum für Tourismus hat Ende des Jahres 2020 Mobilitätsdaten der Teralytics AG erworben, die auf Mobilfunkdaten der Telefónica Germany basieren und auf deren Grundlage das Mobilitätsaufkommen repräsentativ für den deutschen Raum hochgerechnet wird. Ziel war es, anhand dieser Daten zu untersuchen, inwieweit Mobilitätsdaten basierend auf Mobilfunkdaten für die Tourismusforschung sinnvoll genutzt werden können.

Für die Forschungsarbeit standen dem BZT zwei Datensätze zur Verfügung, die die Mobilität in Bayern abbilden. Ein monatlicher Datensatz, der das monatliche Mobilitätsaufkommen sowie das Mobilitätsverhalten aggregiert nach Wochentagen und Tageszeiten aufzeigt. Des Weiteren ein täglicher Datensatz, der relativ zeitnah (mit ca. zwei Tagen Verzug) das Mobilitätsaufkommen darstellt. Die räumliche Auflösung der Datensets ist jeweils die Landkreisebene, das heißt Mobilitätsdaten werden für die einzelnen bayerischen Landkreise zusammengefasst ausgewiesen.

Die Teralytics-Daten wurden zum einen bei eigenen Forschungsprojekten des BZT genutzt, zum anderen wurden Forschungseinrichtungen in Bayern bei verschiedenen Projekten mit Datenauswertungen zum Mobilitätsverhalten unterstützt. Darüber hinaus arbeitete das BZT mit der Teralytics AG an einer Weiterentwicklung der Datensets für touristische Zwecke.

Projekte, bei denen Teralytics-Daten in Analysen einbezogen wurden, waren unter anderem:

  • Identifikation verkehrstechnischer Hotspots durch den Abgleich von Mobilfunkdaten mit Flowting Car Data
  • Erstellung von Planungsgrundlagen für Mobilitätsprojekte wie zum Beispiel Reduzierung von freizeitinduziertem Individualverkehr (vorbereitende Studie)
  • Analysen zu Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf das Mobilitätsverhalten in Bayern
  • Zulieferung von Mobilitätsdaten im Rahmen eines Förderprojekts des BZT

Im Verlauf der Forschungsarbeiten zeigte sich, dass die mobilfunkbasierten Mobilitätsdaten ohne eine Anreicherung mit weiteren Datenquellen nur bedingt eine Aussagekraft für touristische Themen haben. Dies liegt vor allem darin begründet, dass eine Segmentierung der Mobilitätsbewegungen nach Zielgruppen (Einheimische, Pendler, Tages- und Übernachtungsgäste) anhand der Daten nicht möglich ist. Aus diesem Grund stand vor allem der Abgleich beziehungsweise die Anreicherung der Teralytics-Daten mit Informationen aus weiteren Datenquellen im Fokus der Forschungsaktivitäten.

So wurden zum Beispiel in Zusammenarbeit mit dem the urban institute und dem Fraunhofer-Institut in München Forschungsprojekte durchgeführt, in denen untersucht wurde, inwieweit eine Kombination von Mobilfunkdaten und Floating Car Data (FCD; z. B. Daten aus Navigationsgeräten) bei der Identifizierung von verkehrstechnischen Hotspots eingesetzt werden können. Dabei zeigt sich, dass sich die beiden Datenquellen durch einen Abgleich gut ergänzen und vorhandene Schwächen der jeweilig anderen Datenquelle ausgleichen. Verfügen die Mobilfunkdaten über eine hohe Fallzahl aber nur über eine geringe räumliche Auflösung, erlauben die FCD-Daten eine relativ hochauflösende räumliche Betrachtung, dies allerdings nur auf Basis einer vergleichsweise geringen Fallzahl. Die Kombination beider Datenquellen ergibt eine differenziertere Sicht auf die Mobilität in den untersuchten Regionen.

Quelle: Urban Institute; Erstellung eines integrierten Mobilitätskonzepts für die Region Allgäu – FCD Datenanalyse; 2021

Ein weiterer Forschungsansatz beschäftigt sich mit dem Vergleich von Mobilitäts- und Wetterdaten. Dabei wird untersucht, inwieweit die Wetterlage Einfluss auf das Mobilitätsverhalten in unterschiedlichen Regionen hat. Betrachtet werden die Mobilitätsbewegungen über einen gesamten Jahresverlauf in einzelnen Landkreisen und Städten sowie die dort gleichzeitig gemessenen Sonnenstunden und Höchsttemperaturen. Untersucht werden in einem ersten Schritt das Mobilitätsaufkommen in den bayerischen Landkreisen am Alpenrand sowie in der Landeshauptstadt München. Die ersten Analysen zeigen, dass das Mobilitätsaufkommen in den touristisch geprägten Landkreisen südlich der Landeshauptstadt stark von der jeweiligen Wetterlage abhängt. Hingegen im Münchner Stadtgebiet das Verkehrsaufkommen nur wenig von vorherrschenden Wetterbedingungen beeinflusst wird. Dieses erste Ergebnis soll im Fortgang durch weitere, tiefergehende Analysen etwa durch Anreicherung mit weiteren Datenquellen (z. B. Zugriffe auf Sozial-Media-Kanäle, Pendlerdaten sowie weitere ggf. vorhandene Verkehrsdaten im jeweiligen Untersuchungsgebiet) verifiziert werden.

Quelle: eigene Darstellung auf Basis von Daten der Teralytics AG und Meteostat Wetterdaten

Die Forschungsarbeiten mit den Teralytics-Daten zeigen, dass die Messung des Mobilitätsaufkommens auf Basis von Mobilfunkdaten grundsätzlich gute Ergebnisse für Verkehrsanalysen erbringt. Für die Bearbeitung touristischer Fragestellungen ist allerdings eine höhere räumliche Auflösung der Mobilitätsdaten notwendig, als die dem BZT zur Verfügung stehenden Daten auf Landkreisebene. Das Fehlen der Segmentierungsmöglichkeiten der Mobilitätsbewegungen nach unterschiedlichen Zielgruppen (Einheimische, Pendler sowie Tages und Übernachtungsgäste) schränkt ebenfalls die Nutzung der Teralytics-Daten für touristische Forschungsfragen ein. Mittlerweile hat der Datenanbieter die Datensets weiterentwickelt und eine entsprechende Zielgruppensegmentierung für die Datenanalyse implementiert; nicht zuletzt auch auf Basis der Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Zentrum für Tourismus.