ONLINE-FORUM

Wie tickt der Tourist?

live am 20. Mai 2021 I 10.00 bis 11.30 Uhr

Unsere Gäste

Dr. Marion Karl

Lehrstuhl für Wirtschaftsgeographie und Tourismusforschung
Ludwig-Maximilians-Universität München

Ulf Sonntag

Projektleiter Reiseanalyse
Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen e.V.

Cathrin Schiemenz

Themenmanagerin
Zielgruppen und Märkte
Bayerisches Zentrum für Tourismus

PD Dr. Markus Hilpert

Lehrstuhl für Humangeographie und Transformationsforschung
Universität Augsburg

Die Konferenz im Überblick

Wie aktuelle Umfragen des Bayerischen Zentrums für Tourismus und der Reiseanalyse zeigen, ist die Reiselust der Deutschen ungebrochen. Allerdings führen die derzeit geltenden Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu weitreichenden Reiseeinschränkungen. Wie geht es weiter, welche Trends und welches Reiseverhalten sind zukünftig zu erwarten?

Den Einstieg in die Veranstaltung gab Dr. Marion Karl (Lehrstuhl für Wirtschaftsgeographie und Tourismusforschung, Ludwig-Maximilians-Universität München). Ihr Vortrag beschäftigte sich mit der Risikowahrnehmung und den Reiseentscheidungen von Tourist*innen.

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Einfluss von subjektiver Wahrnehmung und Emotionen auf die Reiseentscheidung

In Reiseentscheidungen haben subjektive Wahrnehmungen und Emotionen, die mit einer Reise verbunden werden, einen großen Einfluss auf die Reiseentscheidung und die Destinationswahl. Dabei gibt es risikofreudigere Tourist*innen genauso wie Tourist*innen, die beim Reisen nur ein geringes Risiko eingehen möchten. Die Corona-Pandemie ist die erste weltweite Gesundheitskrise im Tourismus – die so noch nie dagewesen ist – und stellt das Gesundheitsrisiko als wesentlichen Sicherheitsaspekt erstmals in den Mittelpunkt. „Das Reisen ist von persönlichen Bedürfnissen getrieben, diese wurden durch die Corona-Pandemie lediglich unterdrückt“, so Dr. Marion Karl.

Urlaubsmotive und Bedürfnisse der Touristen bleiben unverändert

Ulf Sonntag gab in seiner Keynote einen Einblick in die Reisetrends 2030. Der Wunsch zum Reisen, eine hohe Konsumpriorität und vielfältige Gestaltungswünsche sind als Trends zu beobachten. Der zukünftige Markt wird durch sich wandelnde Zielgruppen, einer zunehmenden Bedeutung von Kurzurlaubsreisen, Digitalisierung und Nachhaltigkeit im Tourismus dynamischer werden. Als „multioptional, flexibel, bunter, älter, always online, reisekompetent, motiviert und interessiert, familiengeprägt“ beschreibt Ulf Sonntag die Touristen der Zukunft.

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Die Corona-Pandemie war und ist eine Chance für den Inlandstourismus – und somit auch für den bayerischen Tourismus – neue Gäste zu gewinnen beziehungsweise die Gäste zu begeistern, die länger keinen Urlaub im eigenen Land gemacht haben. Jedoch werden sich, sobald es die Rahmenbedingungen zulassen, auch wieder Auslandsreisen auf das Niveau wie vor der Pandemie einpendeln. Die Urlaubsmotive und Bedürfnisse der Touristen bleiben unverändert und haben durch die Corona-Pandemie sogar an Bedeutung zugenommen. Bei der Wahl des Verkehrsmittels oder der Unterkunft wird es dauerhaft wenig Veränderungen geben.

Hinsichtlich der Wertschätzung und Nachhaltigkeit bei Reisen sind Veränderungen seitens der Nachfrage zu beobachten. Jedoch braucht es für nachhaltigen Tourismus auch zwingend entsprechende Angebote. „Die Branche muss dafür sorgen, dass das Angebot nachhaltiger und wertiger wird. Wenn es die Branche nicht schafft, den Tourismus nachhaltiger zu gestalten, dann wird die Politik auf kurz oder lang regulierend eingreifen“, sagt Ulf Sonntag.

Corona-Pandemie verstärkt Diskussion um Nachhaltigkeit beim Reisen

Cathrin Schiemenz gab anschließend einen Einblick in das Reiseverhalten der Deutschen in Zeiten der Pandemie. Im Jahr 2021 wollen laut einer Umfrage des Bayerischen Zentrums für Tourismus im März 2021 rund 39 Prozent auf jeden Fall noch verreisen. 28 Prozent möchten zwar verreisen, warten aber noch ab. Diese Personengruppe ist insbesondere aufgrund der Reiseeinschränkungen und den politischen Regelungen wie Quarantäneauflagen zögerlich. Wenn sie nicht verreisen, möchten sie zumindest Tagesausflüge in ihrem Sommerurlaub unternehmen. Aus einer nicht repräsentativen Umfrage unter Erstsemesterstudierenden in Bayern lässt sich ableiten, dass innerhalb der Generation Z (Geburtenjahrgänge zwischen 1995 und 2010) weniger die Erholung beim Reisen im Vordergrund steht als das Interesse an anderen Kulturen, Landschaften und Menschen.

In beiden Umfragen wurde auch nach Aspekten der Nachhaltigkeit beim zukünftigen Reiseverhalten gefragt. In der repräsentativen Umfrage aus dem März geben 33 Prozent an, schon jetzt das Thema Nachhaltigkeit beim Reisen zu berücksichtigen. Rund die Hälfte gibt an, dass sie bisher nicht darauf geachtet haben und auch zukünftig nichts ändern werden. Angeregt durch die Corona-Pandemie haben zwei Drittel der Erstsemesterstudierenden, im Alter von 25 Jahren oder jünger, über ihr zukünftiges Reiseverhalten nachgedacht. 50 Prozent von ihnen möchten zukünftig mehr auf Nachhaltigkeit beim Reisen achten.

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„Low- und No-Touch-Tourism“ als Zukunft?

PD Dr. Markus Hilpert beschrieb in seinem Vortrag das Forschungsprojekt „Low- & No-Touch-Tourism: Das CCC-Konzept“. Das Konzept beinhaltet drei wesentliche Säulen für einen kontaktarmen beziehungsweise kontaktlosen Tourismus.

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Erstens geht es um die Reduzierung von „Crowding“, also die Vermeidung beziehungsweise die Reduzierung von Schlangenzeiten, größeren Ansammlungen oder Stauungen. Zudem zielt das zweite C mit „Contact“ auf die Minimierung physischer Kontakte zwischen Reisenden und Tourismusanbietern ab. Das dritte C steht für „Control“ und beschreibt die Reduzierung von physischen Kontakten mit hochfrequentierten Oberflächen (Tastfelder im Aufzug, Displays, Lichtschalter). Es gilt, eine berührungsarme Urlaubsumgebung beispielsweise durch Sprachsteuerung, Bewegungssensorik, Digital-Room-Keys auf dem Smartphone oder Gesichtserkennungen zu schaffen. Im Bereich der Umsetzbarkeit und der Akzeptanz solcher Maßnahmen ist sich PD Dr. Markus Hilpert sicher: „Ein No-Touch-Tourist ist für die Tourismusbranche nicht interessant. Die große Masse wird von der Angebotsseite Low-Touch-Angebote wahrnehmen und sich nicht in einen kontaktlosen Tourismus wiederfinden wollen.“

Evolution nicht Revolution: Das Reiseverhalten wird sich nach der Corona-Pandemie nur schleichend ändern

Alle Expert*innen der Diskussionsrunde sind sich einig, dass es nach der Corona-Pandemie keine gravierenden Änderungen im Reiseverhalten geben wird. Je nach Sicherheitslage sind Aufholprozesse zu erwarten, da sich die ökonomische Situation für weite Teile der Bevölkerung nicht verschlechtert hat. Das Nachholbedürfnis nach Reisen ist groß, da dies während der Corona-Pandemie nicht kompensiert werden konnte. Generell ist das Sicherheitsbedürfnis der Menschen gestiegen. Durch die Corona-Pandemie wurde deutlich, dass Reisen mit Gefahren verbunden ist. Dies führt (zunächst) zu einer bewussteren Entscheidung für das Reiseziel.

Evolution statt Revolution: (Notwendige) Veränderungen werden schleichend kommen, nicht ad hoc. Nachhaltigkeit im Tourismus ist ein wichtiges Handlungsfeld. Es bleibt zu hoffen, dass die Akzeptanz für entsprechende Maßnahmen zunimmt, die Wertschätzung für das Reisen insgesamt einen hohen Stellenwert einnimmt und die Angebotsseite als auch die Politik zukunftsfähige Lösungen und Konzepte finden, die das Thema Nachhaltigkeit und Klimaschutz priorisieren.

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