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Schlagworte: Zielgruppen und Märkte, Corona-Pandemie

Wohin geht die Reise 2021?

Von Cathrin Schiemenz, 22. April 2021

© iStock.com/jacoblund

Trübe Aussichten zu Jahresbeginn

Wohin soll die Reise dieses Jahr gehen? Diese Frage wird im Jahr 2021 erneut weniger leicht zu beantworten sein als in Zeiten vor der Corona-Pandemie. Das Reisejahr 2021 begann mit anhaltenden Reisewarnungen, geschlossenen Beherbergungsbetrieben und geschlossener Gastronomie. Wer im letzten Winter in Deutschland von einem Hang abfahren wollte, musste mit eigener Muskelkraft den Berg erklimmen, denn Skilifte waren seit dem Lockdown ab Mitte Dezember 2020 geschlossen. Einen Ski-/Snowboardtag in den geöffneten Skigebieten in den Nachbarländern Österreich oder Schweiz zu verbringen, ist theoretisch möglich aber aufgrund bestehender Quarantäneregeln, keine Option, die im Verhältnis zum Erlebniswert steht. Mutierte Coronaviren führen schon seit Mitte Februar zu verstärkten Grenzkontrollen.

Am 14. März hob das Robert-Koch-Institut die Einstufung von Mallorca als Risikogebiet auf. Touristen müssen nach Rückkehr somit keine 14-tägige Quarantäne einhalten. Die Aufhebung der Reisewarnung führte zu einem Boom von Buchungen und zu einem Einsatz zusätzlicher Flüge. Etwa 40.000 Touristen aus Deutschland verbrachten die Ostertage auf der Insel – jedoch unter anderen Bedingungen als während vergangener Osterferien: verpflichtender Schnell- oder PCR-Test bei Ein- und Ausreise, nur teilweise geöffnete Restaurants und Kneipen und eine nächtliche Ausgangssperre von 22 Uhr bis 6 Uhr.

Zwiespältiger Blick in die Zukunft

Die derzeit geltenden Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie wie Beherbergungsverbote und Quarantäneauflagen sind ein Haupthindernis auf dem Weg der Erholung des internationalen Tourismus. Touristische Reisen in Deutschland sind zurzeit nicht möglich, da das Verbot von touristischen Übernachtungen weiterhin besteht. 74 Prozent des Gastgewerbes in Bayern sehen sich in ihrer Existenz gefährdet, wie Angela Inselkammer, Präsidentin des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA Bayern, auf einer Pressekonferenz im Februar zum Tourismus in Bayern sagte.

Laut einer Auswertung Anfang April von Travel Data – Analytics (TDA) lag der Umsatz von Pauschalreisen für die aktuelle Saison bis Ende Februar 76 Prozent unter dem Wert des Vorjahres. Auch ein plötzlicher Anstieg kurzfristiger Buchungen kann die Verluste – egal, um welche Reiseziele es sich handelt – kaum kompensieren, so die Auswertung. Michael Frenzel, Chef des Bundesverbandes der Deutschen Tourismuswirtschaft, führt in einem Interview im April aus, dass die Buchungen gemessen am Umsatz für die Sommersaison um 76 Prozent unter den Zahlen des Vorjahreszeitraumes liegen.

Tui-Chef Friedrich Joussen blickte Ende Januar optimistisch in die Sommersaison 2021 und prognostizierte einen weitestgehend normalen Sommer. „Je entschlossener die Impfkampagnen umgesetzt werden, desto schneller können wir zu einer echten Reisefreiheit zurückkehren“, so Joussen. „TUI plant daher auch weiterhin mit 80 Prozent der Vorkrisenkapazität in den Hauptsaisonmonaten Juli, August und September.“, lautete es im Februar. Ende März wird über eine Reduktion der genannten Vorkrisenkapazität auf 75 Prozent gesprochen.

„Nach Corona wünschen sich die Menschen ein Reisen wie vor Corona zurück“, sagt Marek Andryszak, Geschäftsführer der TUI Deutschland GmbH, in einem Statement für das Bayerische Zentrum für Tourismus im Rahmen der Auftaktveranstaltung der Jahresdialoge 2021 im März 2021. Eine Gratwanderung wird der Tourismus nach den intensiven Pandemiemonaten gehen müssen. Die Sehnsucht nach dem Reisen ist weiterhin groß, doch das Thema Nachhaltigkeit wird an Gewicht gewinnen. „Der lokale Tourismus wird in Zukunft genauso profitieren wie der nachhaltige Urlaub in Europa oder den ruhigen Inseln rund um die Welt“, meint Andryszak weiter. Ohne Wertschätzung könne es keine Wertschöpfung geben – die damit verbundene Einbindung aller Leistungsträger in die Gestaltung des touristischen Produktes und Erlebnisses sei von großer Relevanz.

Im Bereich des Luftverkehrs sind die Aussichten getrübt. Der Vorstandsvorsitzende der Lufthansa, Carsten Spohr, rechnet mit keiner schnellen Erholung; seiner Einschätzung nach wird die Auslastung im Sommer 2021 40 bis 60 Prozent des Niveaus von 2019 erreichen. Von etwas Erholung berichtet der Frankfurter Flughafen im März bedingt durch die Flugreisenden nach Mallorca. Der Flughafen München berichtet für das erste Quartal 2021 von sieben Millionen Fluggästen weniger gegenüber dem ersten Quartal 2020 – es wurden 570.000 Fluggäste abgefertigt.

Geschäftsreisen werden möglicherweise nie wieder Umsätze wie 2019 generieren. Die Branche ist pessimistisch, dass Unternehmen zukünftig wieder vollständig zu Veranstaltungen und Meetings in Präsenz zurückkehren (vgl. „Die Urlauber kehren nur langsam zurück“, Handelsblatt, 05/2021, S. 22). Von Seiten der Städte wird über neue Konzepte nachgedacht. So gab Zürich Tourismus bekannt, zukünftig mit Veranstaltungsorten wie dem Hallenstadion oder der Messe zusammenzuarbeiten, um Kongresse mit mehr als 1.500 Gästen zu ermöglichen. Schwer getroffen durch die Corona-Pandemie ist auch die Kreuzfahrtbranche. Sie hofft, mit einer Belegung von 50 Prozent der Kabinen – um Abstand gewährleisten zu können – im Sommer wieder fahren zu dürfen (vgl. „Das Sommerloch“, Der Spiegel, 07/2021, S. 58).

Auf Ebene der Ministerpräsident/innen, der Regierung und der Virolog/innen gibt es unterschiedliche Standpunkte und Konzepte bezüglich Lockerungen, Öffnungen und touristischen Reisen: Es gibt auf der einen Seite Stimmen für einen harten Lockdown, auf der anderen Seite Stimmen für weitere Lockerungen. Das Saarland startete zum Beispiel nach Ostern als Corona-Modellregion. Dabei hatte Tübingen mit einem eigenen Pilotprojekt den Anfang gemacht. Vonseiten der Ostfriesischen Inseln wurde ein Konzept vorgelegt, wie eine Öffnung des Tourismus möglich sein könnte – sicher, kontrolliert und dauerhaft. Ende März sprach sich der bayerische Gemeindetag gegen eine Einführung solcher Modellregionen aus. Mitte April wurde bekannt gegeben, dass sich der Start der Modellregionen in Schleswig-Holstein verzögert. Grund ist die Vorgabe einer konstanten 7-Tage-Inzidenz von unter 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner.

Neben politischen Stimmen gibt es jene der Verbände. So fordert zum Beispiel die Präsidentin von DEHOGA Bayern, Angela Inselkammer, dass auch bei Inzidenzwerten oberhalb von 150 über Modellregionen diskutiert wird. Schließlich gehe es der DEHOGA auch um die Sicherheit der Mitarbeitenden und nicht um „eine Öffnung um jeden Preis“. Da die Branche aber schon bewiesen habe, wie verantwortungsbewusst sie Hygiene- und Schutzkonzepte umsetze, sei der „Endlos-Lockdown“ nicht der richtige Weg.

Pessimistische Stimmen und Szenarien sprechen von einer Erholung des Tourismus im Jahr 2024 auf das Niveau von 2019, wobei von einer unterschiedlichen Erholungsgeschwindigkeit – abhängig von Tourismusbranche und Region – ausgegangen wird.

Flexible Buchungsoptionen als Rettungsanker

Wie eine Studie des Bayerischen Zentrums für Tourismus, durchgeführt von GfK, in der zweiten Märzhälfte ergeben hat, würden sich fast 70 Prozent der Personen, die noch zögern, aber verreisen möchten, für eine Reise 2021 entscheiden, wenn garantiert wäre, dass keine Kosten entstehen, falls die gebuchte Reise nicht angetreten werden kann.

Insbesondere Reiseanbieter versuchen dem Verlangen des Gastes nach Flexibilität und Sicherheit in dieser Zeit entgegenzukommen. So bietet zum Beispiel Schauinsland-Reisen im Rahmen der Aktion „Fairsprechen“ weiterhin die Übernahme der Übernachtungskosten am Urlaubsort im Fall einer Quarantäne an. Auch mit Tarifoptionen wie „FLEX2RELAX“ möchte Schauinsland-Reisen dem buchenden Gast höchste Flexibilität bieten. Auch FTI wirbt mit einem Angebot, das kostenlose Stornierungen und flexible Umbuchungen ermöglicht.

Auch die Kreuzfahrtbranche versucht mit bestimmten Konditionen, die Unsicherheit der Gäste bei der Buchung beziehungsweise das Reiseausfallrisiko zu reduzieren: Beispielsweise bietet Hurtigruten den Gästen unter dem Motto „Buchen ohne Risiko“ bei einer Buchung bis Ende April eine kostenlose Verlegung der Reise auf 2022 an. Ein ähnliches Konzept gibt es auch bei Aida und auch MSC Cruises bietet potentiellen Gästen maximale Flexibilität beim Buchen und ein 360° Sicherheitskonzept an.

Möglicherweise eröffnet der Trend zum Homeoffice für die Hotellerie neue Geschäftsfelder: Zimmer könnten zukünftig als Büros vermietet werden. Die Hotelkette Scandic beispielsweise begann im September 2020 die Häuser für Coworking zu öffnen. Workation – Work and Vacation – könnte nach der Einschätzung von Prof. Dr. Harald Pechlaner einen Entwicklungsschub erleben.

Die Reiselust ist ungebrochen

Laut der aktuellen Studie des Bayerischen Zentrums für Tourismus wollen 39 Prozent der Deutschen, die grundsätzlich verreisen, 2021 auf jeden Fall noch eine Urlaubsreise machen. Dabei möchten mehr Personen innerhalb Deutschlands verreisen als ins europäische oder außereuropäische Ausland. In Deutschland sind dabei die Bundesländer Bayern, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein besonders beliebt, auf europäischer Ebene Spanien und Italien, gefolgt von Österreich. Personen, die ins außereuropäische Ausland reisen möchten, wissen zu 30 Prozent noch nicht wohin. Mit 47 Prozent ist der Reisewunsch bis Ende 2021 besonders in der Altersgruppe der 40- bis 49-Jährigen hoch; in der Altersgruppe der 60- bis 69-Jährigen liegt der Anteil bei 33 Prozent. Es zeigt sich zudem eine höhere Reisebereitschaft bei oberen Einkommensgruppen und Haushalten mit Kindern. Für die Personen mit Reiseabsicht ist, wie schon im vergangenen Jahr, eine Ferienwohnung oder ein Ferienhaus die Unterkunft der ersten Wahl. 42 Prozent bevorzugen diese für ihre Urlaubsreisen 2021. Dabei ist diese Unterkunftsform bei Familien noch beliebter als bei Haushalten ohne Kinder. Personen ohne Kinder bevorzugen kleine und mittelgroße Hotels. 41 Prozent der Personen, die 2021 noch verreisen möchten, haben den August als Reisemonat im Blick. Im Juli oder September möchten 31 Prozent beziehungsweise 32 Prozent verreisen.

Gemäß der im Februar veröffentlichten Tourismusanalyse 2021 hatten 45 Prozent der Befragen für das Jahr 2021 eine feste Reiseabsicht (Stichproben: n = 3.000, Personen ab 18 Jahre in Deutschland, Befragungszeit: Dezember 2020/Januar 2021). Schon in den vergangenen Monaten wurde stets die weiterhin bestehende Reiselust der Deutschen hervorgehoben – bedingt durch Monate der Beschränkungen, dem Wunsch nach Ablenkung und Stärkung durch die Erholung im Urlaub (vgl. u. a. RA Trendstudie 2030, S. 23). Dabei werden Ziele in Autodistanz 2021 häufiger nachgefragt werden. Es ist davon auszugehen, dass im Jahr 2021 das Bedürfnis der Reisenden nach Sicherheit, Gesundheit und Platz weiterhin wichtig sein wird.

Die Studie von DestinationBrand weist auf das während der Pandemie gestiegene Interesse an „Aktivitäten an der frischen Luft“ hin. Zudem zeigt sich auch in dieser Studie mit Perspektive auf die kommenden zwölf Monate eine Präferenz der Deutschen für die Mittelgebirge und deutschen Alpenregionen.

Veränderungen zu einer „neuen Normalität“?

Im letzten Jahr konnten deutsche Regionen Gäste begrüßen, die den Urlaub normalerweise im Ausland verbracht hätten. Viele dieser „neuen“ Gäste waren mit dem Urlaub im eigenen Land sehr zufrieden, wie zum Beispiel Matthias Helldörfer aus Franken dem Bayerischen Zentrum berichtete. Diese Gästegruppen erneut begrüßen zu dürfen, wünschen sich viele Regionen auch für kommende Saisonen. Die Destinationen erhoffen sich davon zudem, ein neues Image aufbauen zu können – auch, weil mehr Menschen von der Einmaligkeit einer Region erfahren. Der gesteigerte Inlandstourismus kann für eine Region und deren touristische Leitungsträger auch positive Effekt hinsichtlich der Attraktivität als Arbeitgeber haben. Am Beispiel eines Bio-Hotels im Allgäu zeigte sich bereits im Jahr 2020, dass sich öfter Personal aus Städten in ländlichen Gebieten bewarb.

Personen verbrachten die Urlaubstage im Jahr 2020 also vermehrt im eigenen Land oder in europäischen Nachbarländern und nutzten dafür überwiegend das Auto. Besonders nachgefragt waren Outdoor-Aktivitäten, Natururlaub sowie Übernachtungen in autarken Wohneinheiten wie Ferienwohnungen/-häuser oder Camping.

Dieses Reiseverhalten scheint sich, gemäß der vorliegenden Umfrageergebnisse, im Jahr 2021 auf der einen Seite fortzusetzen – auch bedingt aus dem Mangel an Alternativen. Zugleich stellt sich die Frage, wie anhaltend es sein wird und welches Reiseverhalten zu beobachten ist, wenn sich die pandemische Lage entspannt. Dabei scheint ein Blick auf unterschiedliche Altersgruppen und Lebensphasen hilfreich: Laut der aktuellen Studie des Bayerischen Zentrums für Tourismus ist der Anteil in der Altersgruppe bis 50 Jahre ohne Kinder, der schon dieses Jahr einen Urlaub im europäischen Ausland machen möchte, größer als in den übrigen Gruppen. Personen dieser Lebensphase waren auch 2020 schon vermehrt im (außer‑)europäischen Ausland im Urlaub. Zugleich weiß man auch um die Sehnsucht der jungen Menschen, beispielsweise der Generation Z, in andere Länder der Welt zu reisen.

Deutschland wird den Trend der Vergangenheit als beliebtes Reiseland auch in Zukunft fortschreiben – mit gestiegener Bekanntheit bei einigen Personengruppen, die Deutschland als Reiseland noch vor der Corona-Pandemie weniger kannten. Genauso wird aber auch der Trend, in (außer‑)europäische Länder zu reisen, wieder eintreten, sofern es die politischen Regelungen zulassen. Gemäß der Umfrage vom Bayerischen Zentrum für Tourismus aus dem März 2021 sind so auch 54 Prozent der Reisenden der Meinung, dass alle verreisen und Urlaub machen wie zuvor, sobald ein Impfstoff gefunden wurde. 31 Prozent sind der Meinung, dass die Coronakrise das Reiseverhalten der Menschen – hin zu mehr Nachhaltigkeit – verändern wird.