STUDIE
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Schlagworte: Zukunft des Wirtshauses
27. März 2024
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Im Rahmen des Forschungsprojekts zur „Zukunft des Wirtshauses“ führte GfK im Auftrag des Bayerischen Zentrums für Tourismus eine bevölkerungsrepräsentative Umfrage durch, bei der 2.024 Männer und Frauen im Alter von 18 bis 74 Jahren der deutschsprachigen Bevölkerung zur Wahrnehmung und Einschätzung des bayerischen Wirtshauses als einer speziellen Form des Gastronomieangebots befragt wurden. Der Befragungszeitraum fand vom 11. bis zum 22. Januar 2024 statt.
Die Top 3 der Gründe für den Besuch eines bayerischen Wirtshauses sind „die Regionalität der Speisen“ (52 Prozent), „die Gemütlichkeit/ das Ambiente“ (47 Prozent) und „das Angebot an traditionellen Speisen und Getränken“ (47 Prozent).
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Mehr als jeder zweite Deutsche (57 Prozent) hat bereits ein Wirtshaus in Bayern besucht. In Bayern sind es 90 Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung, die bereits ein Wirtshaus aufgesucht haben.
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66 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer beobachten ein Wirtshaussterben. Davon geben 80 Prozent an, dass sie das bedauerlich und beklagenswert finden.
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Fast die Hälfte aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer besuchen lieber ein Wirtshaus anstelle eines Vereinsheimes.
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Das Wirtshaus ist nicht nur ein Ort, wo man gut Essen und Trinken kann (81 Prozent), sondern auch (eher) wichtig für das Zusammengehörigkeitsgefühl (75 Prozent), als sozialer Treffpunkt (72 Prozent) und für die Lebensqualität vor Ort (71 Prozent).
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Die besondere Art des bayerischen Essens und Trinkens wird als wesentliches Unterscheidungsmerkmal zu anderen Gastronomieangeboten wahrgenommen.
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Es zeigt sich, dass 57 Prozent bereits ein bayerisches Wirtshaus besucht haben. Unter den 39 Prozent, die noch nicht in einem bayerischen Wirtshaus waren, haben zumindest 41 Prozent das Bundesland Bayern bereits besucht. Unter den bayerischen Befragten ist der Wert an „Wirtshausbesucherinnen“ und „Wirtshausbesuchern“ hingegen deutlich höher. Demnach haben 90 Prozent bereits ein bayerisches Wirtshaus aufgesucht.
Die besondere Art des bayerischen Essens und Trinkens wird als wesentliches Unterscheidungsmerkmal wahrgenommen und so beschreiben fünf der zehn Top-Assoziationen das Spezifische des Speise- und Getränkeangebots. Die „Küche“ (16 Prozent), das „Bier“ (11 Prozent), die „deftige Hausmannskost“ (9 Prozent), die „bayerischen Spezialitäten“ (8 Prozent) sowie die „regionale Küche“ (6 Prozent) umreißen den Assoziationsraum, der das bayerische Wirtshaus von anderen Gastronomiebetrieben abgrenzt. Zu den weiteren Unterscheidungsaspekten zählen die Faktoren „Gemütlichkeit“ sowie „Atmosphäre/Ambiente“ mit jeweils 14 Prozent, die „rustikale Einrichtung“ (10 Prozent) und das „Urige“ des Gesamtkonzepts (8 Prozent). Unter den bayerischen Befragten zeigt sich, dass Faktoren wie z. B. „Gemütlichkeit“ (28 Prozent), „Küche/ Essen/ Speisenangebot“ (20 Prozent) und „Atmosphäre/ Ambiente“ (15 Prozent) eine stärkere Gewichtung als im Deutschlandvergleich haben. Auch der Faktor „Tradition“ befindet sich unter den Top-5-Nennungen (12 Prozent).
Die Gründe für den Besuch eines bayerischen Wirtshauses ähneln stark den Ergebnissen der vorherigen, offenen Fragestellung zur Unterscheidung zwischen einem Wirtshaus von weiteren Gastronomiebetrieben. Die Regionalität der Speisen, die Gemütlichkeit sowie das Ambiente, aber auch der traditionelle Aspekt werden von vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern genannt.
Gründe für den Besuch eines bayerischen Wirtshauses
(Zusammenfassung der Antwortmöglichkeiten „eher wichtig“ und „wichtig“)
Im ländlichen Raum spielen Vereinsheime, in denen gastronomische Angebote realisiert werden, oftmals eine große Rolle und werden teilweise auch als Konkurrenz zum lokalen Wirtshaus gesehen. Die Befragten wurden hier zunächst gebeten, anzugeben, ob es in ihrer Kommune ein oder mehrere Vereinsheim/e gibt. Die Ergebnisse zeigen, dass in über der Hälfte aller Kommunen ein oder mehrere Vereinsheim/e vorhanden sind. In 22 Prozent der Kommunen gibt es kein Vereinsheim und 24 Prozent haben die Option „Weiß nicht/ keine Angabe“ gewählt.
Die Probandinnen und Probanden, die mit „ein oder mehrere Vereinsheim/e“ geantwortet haben, wurden anschließend befragt, ob sie lieber ins Wirtshaus/ ins Vereinsheim oder in beides gleich gerne gehen. 49 Prozent der Befragten gaben an, lieber ein Wirtshaus anstelle eines Vereinsheimes zu besuchen. Circa ein Viertel der Teilnehmerinnen und Teilnehmer kehrt gleichermaßen in einem Wirtshaus oder Vereinsheim ein und neun Prozent ziehen das Vereinsheim dem Wirtshaus vor.
Das bayerische Wirtshaus ist laut den Befragten nicht nur ein Ort, wo man gut Essen und Trinken kann (81 Prozent, „(eher) wichtig“), sondern hat für drei Viertel der Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch erheblichen Einfluss auf das Zusammengehörigkeitsgefühl im Ort (75 Prozent). Es wird als sozialer Treffpunkt wahrgenommen (72 Prozent) sowie als Raum für Feste und Veranstaltungen (71 Prozent). Zudem wertet das bayerische Wirtshaus laut 71 Prozent der Befragten die Lebensqualität vor Ort deutlich auf. Als weniger relevant wird das Wirtshaus für Veranstaltungen im Bereich von Fachgesprächen und Tagungen erachtet (36 Prozent). Unter den bayerischen Befragten liegen die diesbezüglichen Einschätzungen leicht höher als in der deutschlandweiten Auswertung.
Relevanz von Wirtshäusern für die Lebensqualität in Dörfern – aus Sicht der bayerischen Befragten
(Zusammenfassung der Antwortmöglichkeiten „eher wichtig“ und „wichtig“)
Aus den Umfrageergebnissen wird deutlich, dass ein Wirtshaussterben von zwei Drittel der deutschsprachigen Bevölkerung wahrgenommen wird, während ein Fünftel aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieses aktuell nicht beobachtet. 80 Prozent derjenigen, die ein Wirtshaussterben wahrnehmen, empfindet den Verlust bzw. das Verschwinden von bayerischen Wirtshäusern als bedauerlich bzw. beklagenswert. Die restlichen 20 Prozent zeigen wenig Interesse am Phänomen des Wirtshaussterbens. Bei der Kohorte der bayerischen Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Umfrage liegt der Anteil derjenigen, die ein Wirtshaussterben beobachten weitaus höher. Hier geben immerhin 79 Prozent an, dass sie ein Wirtshaussterben wahrnehmen, während 13 Prozent keine Verringerung der Anzahl an Wirtshäusern beobachten können.
Aus dem Item-Pool an kulinarischen Aspekten spielen für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vor allem die “traditionelle Küche“ (76 Prozent, „(eher) wichtig“), die „Regionalität“ (74 Prozent) und die „Saisonalität der Speisen“ (66 Prozent) eine entscheidende Rolle. Detaillierte Herkunftskennzeichnungen (45 Prozent) sowie Lebensmittel aus biologischem Anbau (44 Prozent) sind für knapp die Hälfte aller Befragten von Bedeutung. Für perspektivisch weniger relevant erachten die Befragten das „vegetarische und vegane Speiseangebot“, nur 29 Prozent halten das für wichtig bzw. eher wichtig. Auch die Option als Wirtshaus einen Lieferdienst anzubieten, wird von 45 Prozent der Befragten als unwichtig bzw. eher unwichtig angesehen. Bei der Kohorte der bayerischen Befragten liegt der Prozentanteil in den jeweiligen Befragungs-Items durchweg etwas höher.
Mit Blick auf den Bereich Ambiente zeigt die Befragung, dass die Probandinnen und Probanden bevorzugt von Servicekräften bedient werden wollen (74 Prozent). Entsprechend wird die Option „Selbstbedienung“ bzw. „Self-Service“ als unwichtig bzw. eher unwichtig erachtet (56 Prozent). Eine traditionelle Bekleidung der Servicekräfte wird nicht zwingend erwartet. Nur für 39 Prozent ist dies von Bedeutung. Ein traditioneller Einrichtungsstil ist hingegen nach Ansicht der Mehrheit der Befragten Teil ihrer Erwartungshaltung. 59 Prozent halten dies für wichtig bzw. eher wichtig. Eine besondere bayerische Perspektive ist im Zusammenhang mit dem Bereich Ambiente nicht zu erkennen.
Die zukünftigen Erwartungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an das bayerische Wirtshaus in Bezug auf die Digitalisierung und Technologie sind eher als moderat einzustufen. Während digitale Zahlungsalternativen von knapp jedem Zweiten gewünscht werden, sind aus Sicht der Befragten die Aspekte „Service durch Roboter“ (76 Prozent, „(eher) unwichtig“), „digitale Speisekarten“ (55 Prozent) oder der Zugang zu „kostenfreiem WLAN“ (49 Prozent) von eher geringer Relevanz für die Konzeption von zukunftsorientierten Wirtshäusern. Auch die Möglichkeit der Onlinereservierung wird nur von circa einem Drittel der Befragten als wichtig bzw. eher wichtig bezeichnet. Auch im Kontext der Digitalisierung und Technologie sind keine signifikanten Unterschiede zwischen der Gesamtbefragung und der Kohorte der bayerischen Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu erkennen.
Wie schätzen die Befragten die soziale Funktion des Wirtshauses zukünftig ein, war Gegenstand der letzten Frage. Hier divergieren die Ergebnisse mit den aktuellen Wahrnehmungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Anfang der Befragung. Wurde bei der Fragestellung zur „Relevanz von Wirtshäusern für die Lebensqualität“ von den Befragten noch der erhebliche Einfluss auf das Zusammengehörigkeitsgefühl im Ort (75 Prozent, „(eher) wichtig“), die Rolle des Wirtshauses als sozialer Treffpunkt (72 Prozent) und die Lebensqualität betont (71 Prozent), geben die Befragten hier nun an, dass die Erwartung an zukünftige Wirtshäuser nicht zwingend mit einem „Stammtisch“ (45 Prozent, „(eher) unwichtig“), „regelmäßigen Veranstaltungen (öffentlich/ privat)“ (45 Prozent) oder „Vereinstreffen“ verbunden sein müssen (46 Prozent). Auch die Rolle des Wirtshauses als sozialer Treffpunkt wird zukünftig als weniger bedeutsam eingestuft. So sind zwar 37 Prozent der Ansicht, dass dieser Aspekt (eher) wichtig ist, 27 Prozent sind hier jedoch geteilter Meinung (teils/teils), während 29 Prozent der Ansicht sind, dass die soziale Funktion des Wirtshauses von geringer Relevanz sein wird („(eher) unwichtig“). Bei der Kohorte der bayerischen Befragten liegt der Prozentanteil in den jeweiligen Befragungs-Items dabei durchweg etwas höher. So ist beispielsweise das Wirtshaus als „sozialer Treffpunkt“ den bayerischen Teilnehmerinnen und Teilnehmern wichtiger (48 zu 37 Prozent – „(eher) wichtig“), als dies in der Gesamtbefragung zum Ausdruck kommt.
Das klassische bayerische Wirtshaus ist ein über die Landesgrenzen hinweg etabliertes gastronomisches Produkt. Die Mehrheit der Deutschen hat bereits ein bayerisches Wirtshaus besucht, in Bayern ist es Teil des Alltagslebens und aus der Gastronomielandschaft nicht mehr wegzudenken. Als grundlegende Unterscheidungsmerkmale zu anderen Gastronomiebetrieben sind und bleiben für die Gäste das traditionelle und regionale Speisen- und Getränkeangebot, das gemütliche Ambiente und die urige Atmosphäre von großer Bedeutung. Neben seiner Funktion als Versorgungseinrichtung ist das Wirtshaus in Bayern aus Sicht der Befragten zwar nach wie vor ein sehr wichtiger sozialer Treffpunkt mit starken Auswirkungen auf das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Lebensqualität im ländlichen Raum, allerdings mit abnehmender Tendenz, was die zukünftigen Erwartungen anbelangt. Die Mehrheit der deutschsprachigen Bevölkerung sieht denn auch das bayerische Wirtshaus in seiner Funktion als Kulturgut in Gefahr. Deutschlandweit nehmen zwei Drittel der Befragten ein Wirtshaussterben wahr, während es in Bayern bereits 79 Prozent sind. Den drohenden Verlust der bayerischen Wirtshauskultur empfindet die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland (53 Prozent) und in Bayern (65 Prozent) dabei als beklagenswert und bedauerlich.
Befragungszeitraum:
11.01.2024 bis 22.01.2024
Zielpersonen/Stichprobe:
Die Grundgesamtheit dieser Untersuchung umfasst Männer und Frauen im Alter von 18 bis 74 Jahren in Deutschland. Der Umfang dieser Gesamtheit beträgt ca. 58.554.000 Personen (deutschsprachige Bevölkerung). Daraus wurde eine repräsentative Stichprobe im Umfang von 2.024 Personen gezogen.
Durchführung der Studie:
GfK
Methode:
Dieser Untersuchung liegt methodisch eine Quotenstichprobe zugrunde. Die Ermittlung der Quoten erfolgte auf der Basis amtlicher Statistiken (Mikrozensus 2021) sowie eigener GfK-Berechnungen. Zur Gewährleistung einer repräsentativen Stichprobe werden die Merkmale Geschlecht, Alter, Bundesland, Ortsgröße und Haushaltsgröße quotiert. Die Befragung der Panel-Teilnehmerinnen und Teilnehmer erfolgte anhand eines strukturierten Fragebogens per CAWI (Computer Assisted Web Interview), also Online.
Auswahl der Probandinnen und Probanden:
Auf Grundlage des aktuellen Mikrozensus werden für jeden GfK eBUS® die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem Accesspanel der GfK SE (“askGfK”) per Quota-Auswahl angefiltert. Die Probandinnen und Probanden werden per E-Mail zur Befragung eingeladen und erhalten zusätzlich auf ihrer Eingangsseite zu “askGfK” die Mitteilung, dass ein Fragebogen zur Verfügung steht. Itembatterien wurden randomisiert abgefragt.