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Schlagworte: Nachhaltigkeit, Zertifizierungen

Nachhaltigkeitszertifizierungen im Tourismus

Von Dr. Erik Lindner, 18. August 2022

© iStock.com/NicoElNino

Mit der aktuellen Abnahme der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie kehrt eine öffentliche Debatte zurück, die auch in den vergangenen Monaten nie ganz verschwunden war: die über ein Mehr an Nachhaltigkeit im Tourismus. Vielfach wird in dieser Debatte Nachhaltigkeit als eine Möglichkeit gesehen, durch neue Ideen eine neue Verträglichkeit und insgesamt eine bessere Ausrichtung auf die steigende gesellschaftliche Nachfrage nach nachhaltigen Angeboten zu erreichen.

Bereits im Jahr 1993 definierte die Welttourismusorganisation (UNWTO) den nachhaltigen Tourismus als ein Entwicklungsmodell, das darauf abzielen sollte, die touristischen Praktiken an die aufnehmenden Gebiete anzupassen, um gleichzeitig die Zufriedenheit und den Respekt für die drei Eckpunkte zu erhöhen, die in jedem touristischen Zielgebiet berücksichtigt werden müssen: Einwohner*innen, Umwelt- und Kulturressourcen und Besucher*innen.

Die Entwicklung eines nachhaltigen Tourismus erfüllt die Bedürfnisse der heutigen Tourist*innen und der Gastregionen und schützt und erweitert gleichzeitig die Möglichkeiten für die Zukunft. Er gilt als Leitfaden für die Bewirtschaftung aller Ressourcen in einer Weise, dass die wirtschaftlichen und sozialen Bedürfnisse erfüllt werden können, ohne die Erhaltung der kulturellen Integrität, der wesentlichen ökologischen Prozesse, der biologischen Vielfalt und der Systeme, die das Leben garantieren, zu vernachlässigen (UNWTO, 1998).

Die Vereinten Nationen haben das Jahr 2017 zum Internationalen Jahr des nachhaltigen Tourismus ausgerufen, was die Branche dazu veranlasst hat, ihre Rolle als Katalysator für den Wandel zu erkennen und Maßnahmen zu ergreifen, die nachhaltige Entwicklung im Tourismus zu unterstützen. Die Bayerische Tourismus Marketing GmbH (BayTM) hat dazu in Kooperation mit vielen Praktiker*innen und Wissenschaftler*innen aus dem bayerischen Tourismus eine Vision für den Bayerischen Tourismus erarbeitet. Diese Vision definiert die Rolle des Tourismus neu: Der Tourismus wird darin als glaubwürdiger Lebensraumgestalter gesehen. Als Querschnittsbranche trägt er Verantwortung für das Allgemeinwohl, das eine hohe Lebensqualität sowohl für Einheimische als auch für Gäste gleichermaßen im Blick hat (BayTM 2022).

Obwohl nachhaltige Maßnahmen und Praktiken im bayerischen Tourismus bereits vielfältig verbreitet sind, hat bisher nur eine Minderheit diese Nachhaltigkeitsleistungen professionell zertifizieren lassen.

Bedeutung und Gebrauch von Zertifizierungen und Siegeln im Tourismus

Um die Entwicklung von touristischen Anbietern und Destinationen zu unterstützen, wird die Zertifizierung der Nachhaltigkeitsleistungen vielfach als hilfreich beschrieben.

Die Mehrheit der bestehenden Zertifizierungssysteme konzentrieren sich speziell auf umweltfreundliche Maßnahmen (z. B. Umweltzertifizierung wie ISO 9.001), während andere ein breiteres Spektrum von Aspekten im Zusammenhang mit den verschiedenen Dimensionen der Nachhaltigkeit umfassen (z. B. ISO 26000). In Bezug auf die Tourismusbranche werden verschiedene Vorteile von Umweltzertifizierungen genannt (Auswahl) (Boronat-Navarro und Pérez-Aranda 2020):

  • die Abschaffung von Praktiken, die negative Auswirkungen auf die Umwelt haben,
  • Kosteneinsparungen,
  • die Ansprache umweltbewussterer Verbraucher,
  • Bereitstellung genauer Informationen für Verbraucher über die Umweltleistung.

Die Zertifizierung wird also als eine Möglichkeit gesehen, mehr Informationen, Transparenz und Glaubwürdigkeit über die Unternehmenspraktiken zu bieten, da sie die Suche nach Informationen vereinfacht. Voraussetzung dafür ist eine unabhängige Prüfung, die es Verbraucher*innen und anderen Interessengruppen ermöglicht, verifizierte Informationen über die Anwendung nachhaltiger Praktiken zu erhalten. Dies bietet eine gewisse Garantie und Glaubwürdigkeit für die Qualität und Zuverlässigkeit der zertifizierten Unternehmen.

Global Sustainable Tourism Council (GSTC) hat einige Zertifizierungsstellen akkreditiert, bei denen sich Destinationen zertifizieren lassen können:

Gleichzeitig kann die Zertifizierung, gerade, wenn Sie durch ein intensives Coaching begleitet wird, eine ausgezeichnete Unterstützung bei der individuellen nachhaltigen Entwicklung der teilnehmenden Unternehmen sein. Positive Wirkungen entfalten sich nämlich nicht nur im Bereich der Umweltauswirkungen der Betriebe, sondern auch in Bezug auf das immer wichtigere Thema des Personals (Baloglu et al. 2022).

Zertifizierungen sind standardisierte Systeme, die die Einführung von Nachhaltigkeitspraktiken fördern sollen.

Sie sind ein Mittel zur Förderung eines freiwilligen Ansatzes zur Einbeziehung, Messung und Berichterstattung über bewährte Praktiken in Bezug auf die ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Säulen der Nachhaltigkeit. Sie zeigen das freiwillige Engagement eines Unternehmens für nachhaltige Grundsätze (Boronat-Navarro und Pérez-Aranda 2020). Diese Managementsysteme verbessern dabei die Fähigkeit der Unternehmen, sich nachhaltig zu entwickeln, indem sie vordefinierte Prozesse und Ziele festlegen, die die Unternehmen erreichen müssen, um die Zertifizierung zu erhalten.

Auswirkungen von Zertifizierungen für die Anbieterseite

Die jüngste Entstehung und Verbreitung von Nachhaltigkeitszertifizierungssystemen lassen sich auf den zunehmenden Wunsch der Unternehmen zurückführen, zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen und negative soziale und ökologische Auswirkungen ihrer Tätigkeit zu bekämpfen. Dabei ist insbesondere die Bedeutung des Prozesses der Zertifizierung selbst in den Mittelpunkt zu stellen. Die Kriterien, die für einen Zertifizierungsprozess definiert sind, werden dabei als wichtiger angesehen, als ein eventuell resultierendes Siegel, dass die Nachhaltigkeitsleistung der Unternehmen nach außen signalisiert (Costa et al. 2019).

Der Zertifizierungsprozess ist wichtiger als das resultierende Siegel.

Es wird also davon ausgegangen, dass ein Zertifizierungsprozess, der das Unternehmen dazu bringt, sämtliche betriebliche Prozesse zu durchleuchten und dabei auf klaren Zieldefinitionen aufbaut, wesentlich „nachhaltiger“ wirkt als ein oberflächlicher Prozess, der in einem (ungeprüften) Siegel resultiert. Grundlegend dafür ist die Erkenntnis, dass es sich bei der Nachhaltigkeit selbst um einen Prozess handelt, der auf stetiger Verbesserung gründet und bei dem kein Endpunkt der Entwicklung definiert werden kann.

Die wichtigsten Beweggründe für die Einführung von Nachhaltigkeitskriterien sind nach einer Untersuchung von Baloglu et al. (2022) Kosteneinsparungen, die Verbesserung des Rufs des Unternehmens, die Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit und die Einhaltung von Umweltvorschriften.

Die Einführung von Nachhaltigkeitskriterien führt mittelfristig zu Kosteneinsparungen.

Allerdings erzielten nicht alle touristischen Unternehmen die erwarteten Vorteile. Die Autor*innen schlagen vor, dass die Betriebe dringend die Wirksamkeit nachhaltiger Maßnahmen nach der Umsetzung dieser Praktiken bewerten sollten. Wenn die Betriebe dann die festgestellten Vorteile nachhaltiger Maßnahmen publik machen, könnte der Tourismus im Allgemeinen stärker zur Umsetzung nachhaltiger Praktiken angeregt werden, was der Gesellschaft als Ganzes zugutekäme (Baloglu et al. 2022).

Es ist notwendig, die nachhaltigen Maßnahmen nach der Umsetzung in der Praxis zu bewerten und die entstehenden Vorteile zu kommunizieren.

In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass viele Unternehmer*innen, insbesondere diejenigen, die sich auf ihre Eigeninteressen und Werte berufen, zunächst erwarteten, dass die Kund*innen ihr Angebot aufgrund einer Zertifizierung bevorzugen würden. Es lässt sich jedoch vielfach feststellen, dass nur wenige Kund*innen (privat wie geschäftlich Reisende), die Zertifizierung bei ihrer Kaufentscheidung berücksichtigen (Mzembe et al. 2020).

Nur wenige Kunden berücksichtigen die Zertifizierung vor der Kaufentscheidung. Die Vorteile liegen folglich zunächst auf der betrieblichen Ebene.

Es scheint daher so zu sein, dass die Nachfrager mit veränderten Einstellungen und einem aufgeklärteren Blick auf Fragestellungen der Nachhaltigkeit anreisen und die Nachhaltigkeitsleistungen von Beherbergungsbetrieben, Gastronomie und touristischen Dienstleistern vor diesem Hintergrund bewerten. Sind vor Ort keine Ansätze für eine Nachhaltigkeitsentwicklung zu erkennen, so sinkt mutmaßlich die Bereitschaft zur späteren Wiederkehr der Reisenden.

Die Bedeutung von Zertifizierungen für die Nachfragerseite

Die positiven Einstellungen und Absichten der Verbraucher*innen in Bezug auf die Nachhaltigkeit veranlasst touristische Anbieter, neue nachhaltige Praktiken einzuführen und bestehende zu verbessern. Um beispielsweise Hotels nachhaltiger zu machen, sind sowohl kleine Maßnahmen als auch größere Investitionen zur Anpassung von Prozessen und Infrastruktur erforderlich, was wiederum dazu führen könnte, dass Hoteliers ihre Preise erhöhen müssen. Das größte Buchungshemmnis für die Entscheidung der Verbraucher*innen, in einem nachhaltigeren Hotel zu übernachten, ist jedoch der höhere Preis (Boronat-Navarro und Pérez-Aranda 2020).

Nachhaltigkeitszertifizierung und die einhergehenden Maßnahmen und Investitionen führen kurzfristig zu höheren Kosten.

In Anbetracht der Tatsache, dass der Preis eines der Haupthindernisse für umweltfreundlichen Konsum ist (green travel), ist es daher entscheidend, ob bewusstere Verbraucher eine höhere Zahlungsbereitschaft aufweisen. Zertifizierungen durch Dritte, wie z. B. Umweltzertifizierungen, sind ein Mittel, um Verbraucher*innen und anderen Interessengruppen genaue Informationen über die Anwendung nachhaltiger Praktiken in touristischen Betrieben zu liefern (Boronat-Navarro und Pérez-Aranda 2020).

Neuere Untersuchungen zeigen, dass Nachfrager*innen, die sich stärker mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen, eine höhere Zahlungsbereitschaft für nachhaltige Hotels angeben. Ebenso sind Nachfrager*innen, die Wert auf die Nachhaltigkeitszertifizierung eines Hotels legen, bereit, auch mehr für ein nachhaltiges Hotel zu bezahlen. Daraus ergibt sich die Konsequenz, dass es für die touristischen Unternehmen entscheidend ist, die potentiellen Kunden über die Nachhaltigkeitsbemühungen zu informieren, um die höhere Zahlungsbereitschaft auszulösen. Es ist dabei wichtig festzustellen, dass soziodemographische Merkmale (z. B. Einkommen, Alter, Schulbildung) kaum eine Rolle spielen (Han et al. 2011). Vielmehr sind es die Information über die Nachhaltigkeitsleistung sowie die vergangenen Erfahrungen der Gäste, die die Zahlungsbereitschaft positiv beeinflussen.

Eine stetig wachsende Zielgruppe hat eine höhere Zahlungsbereitschaft für nachhaltige Dienstleistungen im Tourismus, wenn Informationen über die Nachhaltigkeitsleistungen verfügbar sind.

Studien haben auch die Wirkung von Hotels mit einer ISO 14001 EMS-Umweltzertifizierung aus der Sicht der Kund*innen untersucht. Es zeigte sich, dass die Kund*innen die Hotels mit ISO-Zertifizierung hoch bewerteten, während die Hotels ohne ISO-Zertifizierung eine niedrige Bewertung erhielten (Qubbaj und Signes 2022).

In der qualitativen Bewertung durch die Kund*innen schneiden zertifizierte Betriebe in der Regel besser ab als Betriebe ohne Zertifizierung.

Die größten Unterschiede wurden bei teuren Vier-Sterne-Hotels festgestellt. Vier-Sterne-Hotels scheinen durch Umweltzertifizierungen einen deutlichen Marktvorteil zu erzielen. Es wurde zusätzlich festgestellt, dass die durch ISO 14001 gebotene Managementschulung einen Wettbewerbsvorteil für das Gastgewerbe darstellen kann (Qubbaj und Signes 2022).

Es bleibt aus dieser Betrachtung die Erkenntnis, dass die wahre Herausforderung darin besteht, die einzelbetrieblichen Nachhaltigkeitsleistungen glaubwürdig nach außen zu signalisieren. Der wichtigste Schritt dabei ist die Auswahl einer vertrauenswürdigen Zertifizierungsstelle mit einem überzeugenden und bekannten Siegel.

Überblick im Zertifikate-Dschungel

Ursprünglich für Hotels und Strände entwickelt, gibt es heute Umwelt- und Nachhaltigkeitszertifizierungen für alle Arten von Tourismusbetrieben und Destinationen. Die Zertifizierungssysteme werden sowohl auf lokaler, regionaler, nationaler als auch internationaler Ebene angewendet.

Zurzeit gibt es zwischen 150 und 200 verschiedene Siegel und Zertifikate im Tourismus.

Seit 1994 veröffentlicht und aktualisiert ECOTRANS, das europäische Netzwerk für eine nachhaltige Tourismusentwicklung, regelmäßig eine ständig wachsende Liste von Umwelt- und Nachhaltigkeitszeichen, mit dem Ziel, die Transparenz in diesem Bereich zu fördern (Hamele 2017).

Zur Jahrtausendwende wurden weltweit rund 60 solcher Zertifikate im Tourismus angeboten, 2015 hat ECOTRANS bereits über 150 solcher Zertifikate auf der Informationsplattform DestiNet.eu gelistet.

Auf DestiNet.eu können Sie mit dem Certification-Quickfinder schnell potentiell passende Zertifikate für ihr Unternehmen finden.

Als Reaktion auf die steigende Anzahl von Zertifikaten und die damit einhergehende Gefahr der Verwirrung und der Irreführung („Greenwashing“) wurden im Jahr 2000 eine Reihe von Anforderungen an glaubwürdige Zertifikate definiert. Die VISIT Initiative in Europa hat 2001–2004 zusammen mit 12 führenden Zertifikaten einen Mindeststandard entwickelt und entsprechende Marketinginitiativen gestartet.

Mit den „Umweltleistungen europäischer Tourismusbetriebe“ wurden 2006 erstmals Kennziffern zertifizierter Beherbergungsbetriebe zu Energie, Wasser, Abfall veröffentlicht. Auf globaler Ebene hat im Rahmen des sogenannten Marrakesch-Prozesses eine „Task Force Sustainable Tourism“ das Konzept für einen „Sustainable Tourism Stewardship Council“ entwickelt

Dieser sollte – ähnlich dem „Forest Stewardship Council“ bei Holzprodukten – die Umwelt- und Nachhaltigkeitszertifikate im Tourismus weltweit prüfen und anerkennen und somit für mehr Klarheit und Wirkung sorgen.

Der Sustainable Tourism Stewardship Council prüft Umwelt- und Nachhaltigkeitszertifikate und dient somit als Referenz für hochwertige Zertifizierungen.

Im Jahr 2008 wurde dazu der Mindeststandard „Global Sustainable Tourism Criteria“ für Hotels und Reiseunternehmen entwickelt und als Trägerorganisation der „Global Sustainable Tourism Council“ (GSTC) gegründet, der oben bereits erwähnt wird.

Beispiel: „Wegweiser durch den Labeldschungel“

Zur Förderung eines nachhaltigen Konsumentenverhaltens haben „Ecotrans“, die „Naturfreunde Internationale“ (NFI), der „Arbeitskreis Tourismus und Entwicklung“ (AKTE) und Fachstelle „Tourism Watch“ von Brot für die Welt 2012 die Broschüre „Nachhaltiger Tourismus: Wegweiser durch den Labeldschungel“ herausgegeben und 2016 neu aufgelegt (ECOTRANS et al. o. J.).

Im Hauptteil erklärt die Broschüre, worauf es bei Nachhaltigkeitszertifizierungen im Tourismus ankommt und stellt die wichtigsten Labels mit ihren entsprechenden Kurzprofilen vor. Diese geben unter anderem Aufschluss darüber, welche Trägerorganisationen hinter den Labels stecken, welche Nachhaltigkeitsthemen abgedeckt werden, ob die Kriterien des Zertifikates veröffentlicht sind, wie sie geprüft werden und ob der Standard von GSTC international anerkannt ist (Plüss et al. 2016).

Erlangen eines Zertifikates für Betriebe oder Destinationen

Um eine nachhaltige Zertifizierung zu erlangen, muss eine Vielzahl von Kriterien erfüllt werden, die jedes Jahr bewertet und erneuert werden. Wird dies nicht beachtet, kann der Zertifizierungsstatus verloren gehen (Costa et al. 2019).

Neben der ursprünglichen Ausrichtung auf Umweltziele umfassen heute immer mehr Standards auch soziale, kulturelle und ökonomische Ziele. Heute sind 26 Standards und drei Zertifizierungssysteme international durch den Global Sustainable Tourism Council (GSTC) anerkannt (GSTC o. J.). Die Bandbreite hinsichtlich der Reichweite von Zertifikaten reicht von kleinen Zertifikaten mit weniger als 50 ausgezeichneten Betrieben bis zu internationalen Labels mit 8000 Betrieben und mehr (Hamele 2017).

Die meisten Zertifizierungssysteme werden von öffentlichen und zivilen Organisationen in Kooperation getragen. Daneben gibt es rein öffentliche bzw. rein private Labels und Zertifizierungen.

Quelle: Plüss et al. 2016

Die in der Abbildung vorgestellten Zertifikate unterscheiden sich dabei unter anderem durch unterschiedliche Schwerpunkte, indem sie beispielweise vorwiegend den Umweltbereich abdecken. Die meisten Zertifikate berücksichtigen jedoch heute bereits sämtliche Teilbereiche der Nachhaltigkeit. Gemeinsam ist dieser Sammlung von Zertifikaten, dass die Kriterien transparent sind und die Nachhaltigkeitsleistungen der teilnehmenden Betriebe in der Regel unabhängig überprüft werden.

Kosten, Umfang und Überprüfung der Zertifizierung

Die meisten Systeme decken ihre Kosten über Prüfungsgebühren und Zertifizierungslizenzen ab. Diese können von 100 Euro Jahresgebühr für einen kleinen Betrieb bis zu 10.000 Euro für eine Destination reichen. Nur wenige Labels werden kostenfrei angeboten. Neben der Prüfung und Zertifizierung bieten einige Systeme den zu zertifizierenden Unternehmen auch zusätzlich Schulungen zur Vorbereitung und/oder Marketingunterstützung an. Zur Überprüfung des Unternehmens werden in der Regel unabhängige Audits vor Ort durchgeführt.

Mit Ausnahme von einigen wenigen Systemen veröffentlichen die meisten Zertifikate ihre Standards mit Kriterien und Richtlinien im Internet. Weltweit sind etwa 30.000 bis 40.000 Tourismusbetriebe und Destinationen mit einem Umwelt- oder Nachhaltigkeitszertifikat ausgezeichnet, davon rund die Hälfte in Europa (Hamele 2017).

Weltweit sind bisher zwischen 30.000 und 40.000 Tourismusbetriebe und Destinationen zertifiziert.

Labels mit Schwerpunkt Umwelt stellen nach wie vor die Mehrheit, doch neuere Zertifikate zielen auch auf soziale, kulturelle und wirtschaftliche Anforderungen zur Unterstützung einer nachhaltigen Entwicklung ab.

Zertifizierungssysteme sind also ein Instrument, um den Tourismusmarkt freiwillig in Richtung Nachhaltigkeit zu bewegen. Dies funktioniert nur, wenn die „bessere Wahl“ von den Konsumenten bevorzugt wird und somit die Wettbewerbsfähigkeit des zertifizierten Tourismus verstärkt wird und die Investitionen in die Nachhaltigkeit amortisiert werden. Bislang ist das nur in geringem Umfang der Fall.

Für die Akteure im bayerischen Tourismus ergeben sich aus der Zertifizierung ihrer Nachhaltigkeitsleistungen sowohl auf der betrieblichen Ebene, als auch in Hinblick auf die Attraktivität gegenüber potentiellen Kunden eine Reihe von Vorteilen. Der gesellschaftliche Trend zum nachhaltigeren Konsum und die höhere Zahlungsbereitschaft für nachhaltige Dienstleistungen sollten ein guter Motivator für die Entscheidung zu einer Zertifizierung der eigenen Nachhaltigkeitsleistungen sein.

Literaturverzeichnis

  • Baloglu, Seyhmus; Raab, Carola; Malek, Kristin (2022): Organizational Motivations for Green Practices in Casual Restaurants. In: International Journal of Hospitality & Tourism Administration 23 (2), S. 269–288. DOI: 10.1080/15256480.2020.1746216.
  • BayTM (2022): Von Bayer*innen für Bayern: Nachhaltige Destinationsentwicklung neu gedacht. Bayerische Tourismus Marketing GmbH. Online verfügbar unter https://tourismus.bayern/pressemeldung/nachhaltige-destinationsentwicklung-neu-gedacht/, zuletzt geprüft am 22.06.2022.
  • Boronat-Navarro, Montserrat; Pérez-Aranda, José A. (2020): Analyzing Willingness to Pay More to Stay in a Sustainable Hotel. In: Sustainability 12 (9), S. 3730. DOI: 10.3390/su12093730.
  • Costa, Jorge; Rodrigues, Daniela; Gomes, João (2019): Sustainability of tourism destinations and the importance of certification. In: WHATT 11 (6), S. 677–684. DOI: 10.1108/WHATT-08-2019-0050.
  • Han, Heesup; Hsu, Li-Tzang Jane; Lee, Jin-Soo; Sheu, Chwen (2011): Are lodging customers ready to go green? An examination of attitudes, demographics, and eco-friendly intentions. In: International Journal of Hospitality Management 30 (2), S. 345–355. DOI: 10.1016/j.ijhm.2010.07.008.
  • Mzembe, Andrew Ngawenja; Lindgreen, Adam; Idemudia, Uwafiokun; Melissen, Frans (2020): A club perspective of sustainability certification schemes in the tourism and hospitality industry. In: Journal of Sustainable Tourism 28 (9), S. 1332–1350. DOI: 10.1080/09669582.2020.1737092.
  • Qubbaj, Abdullah; Signes, Angel Peiro (2022): The Importance of Environmental Certificates for Green Hotel: Bibliometric and Network Analysis. In: Foundations of Management 14 (1), S. 7–24. DOI: 10.2478/fman-2022-0001.

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