GEFÖRDERTES PROJEKT 2022/2023

Schlagworte: Arbeitsmarkt Tourismus, Resilienz

Entwicklung und Dynamik des touristischen Arbeitsmarktes in Bayern seit 2019

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Das zwischen Oktober 2022 und Dezember 2023 durchgeführte Forschungsprojekt zielt darauf ab, ein umfassenderes Verständnis für die Entwicklung und die Dynamik des touristischen Arbeitsmarktes in Bayern zu gewinnen. Eine detaillierte Sekundärdatenanalyse des touristischen Arbeitsmarktes für die Jahre 2019 bis 2021 gibt Aufschluss über die Dynamiken und Entwicklungen innerhalb der touristischen und nicht-touristischen (Teil-)Branchen in Bayern. Die Analyse wurde auf der Individualebene der Arbeitnehmenden und auf der Betriebsebene durchgeführt.

Übergreifend betrachtet ist trotz pandemiebedingt rückläufiger Zahl der Beschäftigten in der Tourismusbranche das Bundesland Bayern, nach dem bevölkerungsreichen Bundesland Nordrhein-Westfahlen, das Bundesland mit dem größten touristischen Teilarbeitsmarkt. In allen vier touristischen Teilbranchen sinkt die Beschäftigung zwischen 2019 und 2021 und auch der prozentuale Anteil der Beschäftigung im Tourismus an der Gesamtbeschäftigung ist rückläufig. Mitte 2021 waren rund 20 Prozent weniger Personen in den touristischen Teilbranchen beschäftigt als Mitte 2019. Eine weitere Auffälligkeit des touristischen Arbeitsmarkts ist der relativ geringe Anteil von Vollzeitbeschäftigung: vor allem im Beherbergungswesen und dem ergänzenden Reisemarkt liegt er deutlich unter dem nicht-touristischer Branchen. Innerhalb Bayerns sind die Beschäftigungsanteile der Personen, die in touristischen Teilbranchen arbeiten, räumlich inhomogen verteilt. Vor allem die Arbeitsmärkte der südbayerischen Landkreise in Alpennähe sind touristisch geprägt. Der Anteil der Beschäftigten des Ergänzenden Reisemarktes ist deutlich größer als der Anteil des touristischen Transport- und Verkehrsgewerbes, des Beherbergungswesens und der Reiseveranstalter und -mittler.

Die häufigsten Branchen, in die Personen aus dem Tourismus gewechselt sind, entsprechen größtenteils den häufigsten Herkunftsbranchen von Personen, die in den Tourismus gewechselt sind. Zusammen machen die häufigsten zehn Branchen für die Wechsel in den Tourismus und aus dem Tourismus etwa 60 Prozent aller Wechsel aus. Dabei findet der größte Austausch zwischen touristischen Betrieben und Betrieben der Arbeitnehmerüberlassung („Leiharbeit“) sowie Einzelhandelsbetrieben statt. Knapp ein Drittel aller Wechsel in und aus dem Tourismus entfallen auf die Arbeitnehmerüberlassung („Leiharbeit“) und Einzelhandelsbetriebe. Ausländische Arbeitskräfte spielen für den touristischen Arbeitsmarkt eine sehr wichtige Rolle. Bereits 2019 haben über 25 Prozent aller Arbeitskräfte keinen deutschen Pass. Das sind mehr als 10 Prozentpunkte mehr als in den nicht-touristischen Branchen. Dieser Anteil ist bis 2021 noch gestiegen. Etwa ein Drittel der ausländischen Beschäftigten kommen aus Italien und Rumänien. Insbesondere der hohe Anteil der Italiener:innen unterscheidet sich von den Herkunftsnationen anderer Branchen.

Eine monatsweise Analyse der Beschäftigungsfluktuation der Jahre 2019, 2020 sowie 2021 und somit der unterschiedlichen touristischen Saisonzeiten gibt auch genauere Aufschlüsse über die Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auf die Dynamik des touristischen Teilarbeitsmarktes. Parallel zu den Maßnahmen zur Pandemieeindämmung und ihren Lockerungen (Kontaktverbote, Schließungen von Beherbergungsbetrieben und Gastronomie) steigt oder sinkt die Anzahl Beschäftigter im Tourismus in Bayern. Der Februar 2021, also etwa ein Jahr nach Ausbruch der Pandemie, markiert den niedrigsten Stand der Beschäftigung im betrachteten Zeitraum. Im Vergleich zum gesamtdeutschen touristischen Arbeitsmarkt sind die Beschäftigungsverluste in den Pandemie-Jahren in Bayern gegenüber dem Jahr 2019 stärker ausgefallen. Die vier touristischen Teilbranchen sind in unterschiedlichen Maße an dieser Dynamik beteiligt: das Beherbergungswesen und der Ergänzende Reisemarkt reagieren sehr dynamisch und mit relativ hohen Verlusten, aber auch schnellen Wiedereinstellungen auf die politischen Maßnahmen zur Eindämmung und Lockerung. Die Teilbranche der Reiseveranstalter und -mittler hingegen hat seit Pandemiebeginn kontinuierlich Beschäftigte verloren. Im Vergleich zum Januar 2019 sind nur noch 70 Prozent der Beschäftigten bei Reiseveranstaltern beschäftigt. Das Beschäftigungsniveau im touristischen Transport- und Verkehrsgewerbe reagiert zwar auch dynamisch auf Maßnahmen der Eindämmung und Lockerung, jedoch nicht auf einem so hohen Verlustniveau wie die Teilbranchen Beherbergungswesen und Ergänzender Reisemarkt. Der touristische Arbeitsmarkt verhielt sich schon vor der Pandemie sehr dynamisch und unterlag saisonalen Schwankungen. Die Einflüsse der COVID-19 Pandemie hat diese vorherigen Muster jedoch vorrübergehend verändert und die Zahl der Aus- und (Wieder)eintritte intensiviert.

Neben der hohen Dynamik von Aus- und Eintritten ist auch die tourismusinterne Fluktuation (Wechsel von Personen von einem touristischen Betrieb in einen anderen) von einem bereits relativ hohen Wert auf einen sehr hohen Wert von 40 Prozent aller in Vollzeit beschäftigen Personen im Pandemie geprägten Jahr 2020 gestiegen. Bei der tourismusinternen Fluktuation wechseln Personen von einem touristischen Betrieb in einen anderen. Gegenüber dem nicht-touristischen Arbeitsmarkt ist die durchschnittliche Dauer der Beschäftigungsverhältnisse im Tourismus, vermutlich auch aufgrund der Saisonalität der Nachfrage, relativ gering. Die touristischen Teilbranchen Beherbergungswesen und ergänzender Reisemarkt weisen innerhalb des touristischen Arbeitsmarkts die geringste Beschäftigungsdauer auf. Knapp 50 Prozent der Vollzeitarbeitskräfte bleiben weniger als zwölf Monate im Betrieb. Insbesondere kleinere touristische Betriebe mit bis zu 20 Beschäftigten haben eine besonders hohe Fluktuation der Mitarbeitenden. Größeren touristischen Betrieben gelingt es dagegen, Mitarbeitende ähnlich lange an ihre Betriebe zu binden wie in nicht-touristische Branchen.

Der vielfach beklagte Mangel an Arbeitskräften in den touristischen Teilbranchen ist somit auch auf die geringe Bindungskraft der Betriebe zurückzuführen. Insgesamt gelingt es dem touristischen Arbeitsmarkt nicht, seine (Vollzeit)Arbeitskräfte an die Betriebe zu binden. Eine starke Fluktuation verursacht nicht nur hohe Kosten, sondern beeinträchtigt auch den Aufbau branchenspezifischen Humankapitals und führt zu ineffizienten Arbeitsprozessen. Der hohe Anteil ausländischer Arbeitskräfte verdeutlicht darüber hinaus, wie wichtig Migrantinnen und Migranten als Arbeitskräfte für diese Branchen sind.

Projektverantwortung

Projektleitung: PD Dr. Udo Brixy und MA geogr. Elisabeth Bartl (Ludwig-Maximilians-Universität, München)
Projektmitarbeit: Prof. Dr. Jürgen Schmude, Dr. Sascha Filimon

Projektbericht

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