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Schlagworte: Zielgruppen & Märkte, Overtourism, Tagestourismus

Ausflugstourismus der Münchnerinnen und Münchner

Von Sybille Mederle und Christiaan Niemeijer, 28. August 2020

© iStock.com/jotily

Der Tagesausflugsverkehr im Münchner Umland, insbesondere in den südlich von München liegenden Landkreisen, führt seit Jahren in Spitzenzeiten zu Belastungen in den Ausflugsregionen. Bedingt durch Veränderungen im Reiseverhalten der Deutschen in der Coronakrise (siehe Studien „Reisen in Zeiten von Corona“, Bayerisches Zentrum für Tourismus, Mai 2020, Juli 2020) erlebt das Münchner Umland mit seinen beliebten Ausflugszielen wie etwa dem Tegernsee, Walchensee, Starnbergersee, Eibsee und der Zugspitze in diesem Sommer einen nie dagewesenen Touristenansturm. Die Folge sind überfüllte Straßen und Parkplätze sowie Seen und Wanderwege. Bereits vor der Corona-Pandemie wurde als Antwort auf den „Overtourism“ an den touristischen Hotspots versucht, nachhaltige Konzepte zu finden, um Natur, Einheimische, Touristen und Touristinnen in den Destinationen in Einklang zu bringen.

Angesichts der Bedeutung Münchens als Quellgebiet für den Tagesausflugsverkehr in Bayern und des prognostizierten Einwohnerzuwachses in den nächsten Jahren hat die dwif-Consulting GmbH im Auftrag des Bayerischen Zentrums für Tourismus anhand ihres Tagesreisenmonitors die Tagesreisen der Münchnerinnen und Münchner ermittelt. Mit dieser Auswertung basierend auf den Jahren 2017 bis 2019 sollen zum einen die Quantitäten der Tagesreisen innerhalb und außerhalb der Stadt München und zum anderen die wirtschaftlichen Effekte des Tagestourismus für die Landeshauptstadt und die angrenzenden Tourismusregionen herausgearbeitet werden. Des Weiteren gilt es, auch die Bedeutung der Region als Freizeit- und Naherholungsgebiet für die Münchner Bevölkerung aufzuzeigen.

dwif-Tagesreisenmonitor

Im Monitor des dwif wird wöchentlich das Tagesreiseverhalten der letzten Woche abgefragt. Unter einem Tagesausflug wird jedes Verlassen des Wohnortes ohne eine Übernachtung verstanden. Nicht zu den Tagesausflügen werden dabei die Fahrt zur Ausübung des Berufes, die Fahrt zur Deckung des Bedarfs des täglichen Lebens und die Fahrten, die einer Routine und Regelmäßigkeit unterliegen, gezählt. Im hier zugrunde gelegten Untersuchungssample wurden 738 Tagesreisen von Münchnerinnen und Münchnern in den Jahren 2017 bis 2019 betrachtet.

49,1 Millionen private Tagesreisen im Jahr 2019 aus dem Quellgebiet München

Der Tagesmonitor ermittelte für das Quellgebiet München 54,5 Millionen Tagesreisen im Jahr 2019 (inkl. Tagesgeschäftsreisen). 90 Prozent dieser Tagesreisen (49,1 Millionen) entfielen auf den privaten Tagesausflugsverkehr, der in den nachfolgenden Ausführungen näher betrachtet wird. Die Tagesgeschäftsreisen werden nicht weiter berücksichtigt. Bei seinen Berechnungen geht das dwif von einem Bevölkerungsstand von 1,54 Millionen Einwohnern (Stand 2018) in der Landeshauptstadt aus. 62 Prozent der Tagesausflüge im vergangenen Jahr hatten ihr Ziel außerhalb Münchens. Dies entspricht 30,4 Millionen Ausflügen. Innerstädtische betrugen 18,7 Millionen (38 Prozent). Demnach hat jeder Münchner im letzten Jahr im Durchschnitt knapp 32 Tagesausflüge unternommen.

Im Schnitt gibt jede Münchnerin/jeder Münchner pro Ausflug 35 Euro aus

Der dwif-Monitor betrachtet ebenfalls das Ausgabeverhalten der Ausflügler. Ein Münchner oder eine Münchnerin gibt im Schnitt pro Ausflug rund 35 Euro aus – 14,20 Euro fließen in die Gastronomie, weitere 10,10 Euro in den Einzelhandel und 10,70 Euro werden für sonstige Dienstleistungen aufgewendet. Nach Hochrechnungen des dwif generieren die privaten Ausflüge der Münchner und Münchnerinnen einen Umsatz von 1,7 Milliarden Euro pro Jahr. Etwa 1 Milliarde davon werden außerhalb Münchens ausgegeben.

Das Wochenende ist die beliebteste Zeit für Tagesausflüge

Im Tagesmonitor wird ebenfalls der Grund für einen Tagesausflug abgefragt. Rund 31 Prozent der Tagesausflügler außerhalb Münchens geben den Besuch von Verwandten und Bekannten an. 22 Prozent der Tagesausflügler haben keinen konkreten Anlass, sondern fahren einfach ins Blaue. Wiederum jeder Fünfte nannte eine spezielle Tätigkeit wie Baden oder Wandern als Hauptmotivation. Knapp 50 Prozent der privaten Ausflüge außerhalb der Landeshauptstadt finden am Wochenende statt. Die übrige Hälfte verteilt sich relativ gleichmäßig auf die Wochentage. Die Ausflüge erfolgen zu 65 Prozent mit dem PKW. Knapp ein Drittel nutzt den ÖPNV und die Bahn.

Der „Südkorridor“ erfreut sich der größten Beliebtheit

Von besonderem Interesse war die geographische Verteilung der Ausflugsfahrten in das Münchner Umland. 42 Prozent der Tagesausflüge mit Ziel außerhalb Münchens führten in die südlich von München gelegenen Landkreise. Diese für das Jahr 2019 hochgerechneten 12,8 Millionen Tagesausflüge verteilen sich wie folgt: In die Landkreise Miesbach und Landkreis Starnberg führten demnach jeweils 3,3 Millionen Tagesausflüge, in den Landkreis München 2,4 Millionen Ausflüge. Die ebenfalls südlich gelegenen Landkreise Bad Tölz-Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen verzeichneten immerhin je 1,8 Millionen Tagesausflüge. Dieser „Südkorridor“ ist verkehrstechnisch durch die Hauptverkehrsachsen der A95, A96, A8 und der Bundestraßen B318, B13, B23 sehr gut an den urbanen Raum München angebunden. Erwartungsgemäß finden die meisten Ausflüge in den Südkorridor am Samstag zu 33 Prozent (4,2 Millionen) und am Sonntag zu 24 Prozent (3,1 Millionen) statt. Die Anreise erfolgt hier ebenfalls überwiegend zu 66 Prozent mit dem Auto und zu 30 Prozent mit dem ÖPNV und der Bahn.

Touristische Verhaltensmuster überwiegen bei Ausflügen in die südlichen Landkreise

Die Ausübung einer speziellen Aktivität (Wandern, Baden, etc.) sowie Spazierfahrten sind die wichtigsten Anlässe für Ausflüge in die südlichen Landkreise Münchens. Der Besuch von Verwandten/Bekannten spielt hingegen im Südkorridor eine geringere Rolle. Der Tagesmonitor zeigt außerdem deutlich, dass im Südkorridor touristische Verhaltensmuster wie der Besuch von Gastronomiebetrieben, Wandern oder das Bedürfnis nach Erholung stärker zum Tragen kommen als bei den Tagesausflüglern insgesamt.

Aktivitäten der Tagesausflügler/innen außerhalb Münchens

(nur Tagesausflüge mit Ziel außerhalb Münchens, Mehrfachnennungen möglich)

Besuch von Verwandten/Bekannten

außerhalb Münchens insgesamt - 37%
Südkorridor - 23%

Besuch von Restaurant, Cafés, Bars etc.

außerhalb Münchens insgesamt - 33%
Südkorridor - 43%

Erholungs-/Spazierfahrt

außerhalb Münchens insgesamt - 31%
Südkorridor - 35%

Wandern/Bergsteigen

außerhalb Münchens insgesamt - 16%
Südkorridor - 24%

Besuch von Parks/Gärten

außerhalb Münchens insgesamt - 14%
Südkorridor - 16%

Quelle: dwif-Tagesreisenmonitor 2020; Tagesausflügler/innen insg. n=345, Tagesausflügler/innen Südkorridor n=104

Mit der Einwohnerzahl wird auch der private Tagesausflugsverkehr weiter zunehmen

München gilt als eine sogenannte „junge Schwarmstadt“, die besonders attraktiv für junge Erwachsene ist. Ein dynamischer Arbeitsmarkt, der ständig auf der Suche nach gut ausgebildeten Fachkräften und Akademikern ist sowie der hohe Freizeitwert der Stadt und des Umlands begründen diese Anziehungskraft. Basierend auf dem Einwohnerstand von 2017 steigt die Einwohnerzahl im Durchschnitt jährlich um 0,75 Prozent. Laut dieser Hochrechnung werden im Jahr 2040 in München 1,85 Millionen Menschen leben.

Ein Blick in die Zukunft auf Basis dieser Prognose und unter der Annahme, dass sich das touristische Verhalten nicht stark verändern wird, untermauert die These, dass mit der Einwohnerzahl auch der Tagesausflugsverkehr weiter zunehmen wird. Steigt das Tagesausflugsverhalten der Münchner Bevölkerung linear zur prognostizierten Bevölkerungsentwicklung, wird sich für das Jahr 2040 eine Zunahme der Tagesausflüge um etwa 20 Prozent auf insgesamt 59 Millionen private Ausflüge ergeben. Damit einhergehend würden sich die positiven und negativen Begleiterscheinungen des Tagestourismus verstärken.

Zwischen „Overtourism“ und bedeutendem Wirtschaftsfaktor

Die Betrachtung des Tagesausflugsverkehrs aus dem Raum München offenbart das Dilemma für die Destinationen insbesondere im Südkorridor. Den derzeitigen und künftig zunehmenden Belastungen durch Verkehr und damit einhergehende Emissionen steht gleichzeitig die große Bedeutung des Tagestourismus für viele Unternehmen aus Gastronomie und Einzelhandel gegenüber.

Es gilt mehr denn je, hier mit Augenmaß und innovativen Ideen und Lösungen einen Ausgleich der Interessen zu finden.

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