THINK TANK

Partizipation am Reisegeschehen

03. Dezember 2024, München

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Der als eintägige Veranstaltung in München geplante Think Tank hat das Thema „Partizipation am Reisegeschehen“ aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Ziel war es, zentrale Fragestellungen zum Thema Reisen und Nicht-Reisen zu analysieren und die (gesellschaftliche) Bedeutung des Themas für die Zukunft abzuschätzen.

Am Vormittag präsentierten Expertinnen und Experten kurze Impulsvorträge zu Charakteristika von Reisenden und Nicht-Reisenden, Vertriebszahlen, Reiseorganisation sowie zu sozialpolitischen und ethischen Aspekten. Der Nachmittag stand im Zeichen eines Kreativ-Workshops, bei dem die Teilnehmenden gemeinsam wichtige Aspekte zur Partizipation am Reisegeschehen erarbeiteten und reflektierten.

Impulsvorträge

Prof. Dr. Jürgen Schmude

Wissenschaftliche Leitung

Bayerisches Zentrum für Tourismus

Einführung in die Thematik
  • In der Praxis zeigt sich ein differenzierteres Bild, das die Dichotomie von Reisen und Nicht-Reisen vorgibt.
  • Nicht alle gesellschaftlichen Gruppen profitieren gleichermaßen von der Möglichkeit zu reisen.

Prof. Dr. Martin Lohmann

Wirtschaftspsychologe

Die Urlaubsreisenden im Spiegel der Reiseanalyse
  • Reisen ist häufig eine Gewohnheit, weniger eine bewusste Entscheidung für oder gegen das Reisen.
  • Die zentrale Frage lautet meist nicht, ob gereist wird, sondern wohin.
  • Die Urlaubsreise hat einen hohen Stellenwert; Einsparungen erfolgen primär bei Nebenreisen.

Roland Gaßner

Director Business Development

Travel Data + Analytics GmbH

Aktuelle Buchungsentwicklungen im Individual- und Veranstaltungsmarkt
  • Veranstalterreisen profitieren weiterhin vom Nachholeffekt der Corona-Pandemie.
  • Konsumentinnen und Konsumenten suchen verstärkt nach Sonne, Strand und einer Flucht aus dem Alltag.
  • Trotz gegenteiliger Medienberichte zeigt sich ein Trend zum Binnentourismus.
Wahrnehmung von und ökonomische Effekte durch Nicht-Reisende
  • Vorstellung des DFG-Forschungsprojekts „Urlaub daheim“ (Leitung: Prof. Dr. Schmude)
  • Unterscheidung von vier Aktivitätstypen unter Nicht-Reisenden: High-Performer-Typ, Familientyp, Inaktiver Typ und Aktiver Typ
  • Vertreterinnen und Vertreter des inaktiven Typs sind häufig sozial schwächeren, prekären Milieus zuzuordnen.
Ethische Aspekte des Nicht-Reisens
  • Plädoyer für eine neue Erzählung über ethisches und sozialverträgliches Reisen
  • Kernidee: „Positive Verzichtsethik“ – der Fokus liegt auf der Art und Weise des Reisens, weniger auf der Frage, ob überhaupt gereist wird.
  • Nachhaltiges Reisen erfordert eine bewusste Auseinandersetzung mit ethischen und sozialen Dimensionen.

Kreativ-Workshops

Teil 1: Personas

Im ersten Workshopteil wurden die vier Personas aus dem DFG-Forschungsprojekt „Urlaub daheim“ vorgestellt und in Gruppen spezifiziert. Die Gruppen arbeiteten an folgenden Leitfragen:

  • Welche Bedürfnisse, Hoffnungen und Wünsche hat diese Person?
  • Welche Ängste, Frustrationen und Befürchtungen gibt es?
  • Was sieht, hört, sagt, denkt und fühlt diese Person?
  • Wie zufrieden ist diese Person mit der aktuellen Situation des Nicht-Reisens?

Die Ergebnisse wurden im Anschluss präsentiert und diskutiert.

Teil 2: Zwischenfazit

Am „Sammelpunkt“ wurden Erkenntnisse aus den Vorträgen und dem ersten Workshopteil gebündelt. Dabei kristallisierten sich folgende Themenschwerpunkte heraus:

  • Wie können junge Menschen für das Reisen begeistert werden?
  • Unterschiedliche Perspektiven der Nachhaltigkeit berücksichtigen: Ökonomisch, gesellschaftlich-sozial und ökologisch.
  • Fokus auf Barrieren: „Nicht wollen“ vs. „Nicht können“ (z. B. Gesundheit, Finanzen).
  • Wie kann die Gruppe „Jung & Arm“ an das Reisen herangeführt werden?
Teil 3: Themensammlung und Priorisierung

Nach dem Zwischenfazit wurden die Teilnehmenden gebeten, sich mit den folgenden Fragen zu beschäftigen und pro Rubrik mindestens eine Idee für die Diskussion zu formulieren:

  • Was soll genauer betrachten werden?
  • Welche Bedeutung hat „Nicht Reisen“?
  • Was für Hypothesen können formuliert werden?

Folgende Themen wurden zur weiteren Bearbeitung ausgewählt:

  • „Jung & Arm“ am Beispiel „Tourisme Social“
  • Gesellschaftliche Spreizung
  • Klarheit über das „Warum“ und narrativ nach „außen“
  • Zielgruppen genauer kennenlernen/ Nicht-Reisender will oder kann nicht
Teil 4: Diskussion der priorisierten Themen

Nach der Priorisierung der Themen wurden die Teilnehmenden wieder in vier Gruppen aufgeteilt und sollten sich Gedanken zum jeweiligen Thema machen. Nachfolgend sind einige Kernaspekte zu den jeweiligen Themen aufgelistet:

„Jung & Arm“ am Beispiel „Tourisme Social“

  • Zugang zu Reisen für alle schaffen
  • Kommunikation und Transparenz über bestehende Angebote verbessern
  • Bedarf für neue Angebote in Bayern prüfen
  • Zugangshürden senken und Kommunikation verbessern

Gesellschaftliche Spreizung

  • Reisen als Privileg und die zunehmende Exklusion von Nicht-Reisenden
  • Soziale Konsequenzen und ökonomische Auswirkungen
  • Reisen zunehmend ein Privileg
  • Zunehmende soziale Ungleichheit und deren ökonomische Bedeutung

Klarheit über das „Warum“ und narrativ nach „außen“

  • Kommunikation von Reisen als Bildungs- und Teilhabemöglichkeit
  • Langfristige Auswirkungen einer sinkenden Reisebereitschaft auf Gesellschaft und Wirtschaft
  • Reisen als wichtiger Faktor für Bildung und gesellschaftliche Stabilität
  • Gefahr eines Anstiegs von Nicht-Reisenden durch neue Faktoren wie Weltlage oder Altersarmut

Zielgruppen genauer kennenlernen/ Nicht-Reisender will oder kann nicht

  • Welche Segmente von Nicht-Reisenden gibt es und welche Motive und Barrieren stehen dahinter?
  • Wie könnten Reisebarrieren abgebaut werden?
  • Quantitative und qualitative Studien zu Motiven und Barrieren bei Nicht-Reisenden durchführen
  • Marketingstrategien zur gezielten Ansprache entwickeln

Fazit

Der Think Tank hat einen wertvollen Austausch zwischen Wissenschaft, Praxis sowie Politik und Gesellschaft ermöglicht. Er bot eine Plattform zur Entwicklung neuer Ansätze, um den Herausforderungen und Chancen im Reisegeschehen gerecht zu werden.

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