GEFÖRDERTES PROJEKT 2021/2022

Schlagworte: Städtetourismus, Zielgruppen, Digitalisierung

STIBS II: Der Smarte Tourist in Bayerns Städten

© iStock.com/Sergei Ginak

Die digitale Transformation beeinflusst nahezu alle Bereiche des Lebens. Auch den Tourismus verändert der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT). Vermehrt Aufmerksamkeit erfährt in Wissenschaft und Praxis dabei seit einigen Jahren das Konzept des Smart Tourism. Definiert wird der Smart Tourism häufig als ein neuer Tourismus, bei dem eine Vielzahl an Daten durch fortschrittliche Informationstechnologien (z. B. Internet of Things, NFC, Beacon, Virtual und Augmented Reality) gesammelt und analysiert werden. Über die Erfahrungen, Wünsche sowie das Verhalten smarter Tourist*innen in Bayern ist jedoch wenig bekannt.

Im Zentrum des anwendungsorientierten STIBS-II-Projekts steht daher die Frage, welche Bedürfnisse und Anforderungen smarte Tourist*innen an den bayerischen Städtetourismus stellen. Um diese Anforderungen der Tourist*innen in Bayern zu identifizieren, kommt neben einer Social-Media-Analyse eine quantitative Befragung (n=507) in den Städten Augsburg, Ingolstadt, München, Nürnberg, Regensburg zum Einsatz. Das Forschungsinteresse gilt insbesondere der Technologieanwendung sowie der Zufriedenheit mit dem digitalen Angebot, dem Einfluss der Covid-19-Pandemie auf die Technologieanwendung sowie etwaigen Unterschieden im Verhalten der Tourist*innen.

Das STIBS II-Projekt schließt empirisch bestehende Wissenslücken zur Technologieakzeptanz und -nutzung durch Tourist*innen. So wird ein besseres Verständnis der Nachfrageseite erreicht, wobei sowohl die Ansprüche und Erwartungen erfasst als auch die Unterschiede zwischen den Tourist*innen hinsichtlich des Einsatzes von Technologie identifiziert werden. Durch die Projekterkenntnisse wird der bayerische Städtetourismus befähigt, adäquate Angebote zu entwickeln.

Technologieanwendung durch Tourist*nnen in Bayern nach Bereichen der touristischen Leistungskette

Implikationen für einen smarten bayerischen Städtetourismus

Im bayerischen Städtetourismus kommen aktuell hauptsächlich E-Tourism-Technologien zum Einsatz, die derzeit auf die Anforderungen der meisten Tourist*innen ausreichend angepasst sind. Allerdings wird sie insbesondere den technologischen Bedürfnissen vieler jüngerer und internationaler Gäste nicht mehr gerecht. Vor dem Hintergrund wachsender globaler Konkurrenz, sollten diesen Reisenden anbieterseitig individuelle Angebote bereitgestellt werden, um sie auch in Zukunft für die bayerischen Städte zu begeistern und ihre Erlebnisse zu verbessern. Damit wäre gleichsam ein zukunfts- und wettbewerbsfähiger smarter Städtetourismus in Bayern realisierbar. Diese Aspekte stehen bei der Entwicklung eines zukunftsfähigen Smart Tourism im Mittelpunkt:

  • Die Bereitstellung digitaler Angebote ist im bayerischen Städtetourismus unerlässlich
    Die Analyse der Meinungen und Bedürfnisse der Tourist*innen im bayerischen Städtetourismus zeigt sehr deutlich, dass digitale Angebote längst im Bewusstsein verankert sind. Daher wird ein Mangel oder eine unzureichende Ausgestaltung entsprechender Angebote auch deutlich von den Tourist*innen kritisiert. Hinzu kommt eine teilweise sehr konkrete Vorstellung zur Ausgestaltung solcher Technologien und der Anspruch an die Bereitstellung von Mehrwerten sowie verbesserten Erlebnissen. Für den bayerischen Städtetourismus impliziert dies die Notwendigkeit zur Weiterentwicklung technologischer Angebote, um auch zukünftig wettbewerbsfähig zu sein.
  • Bisher werden die Möglichkeiten des Smart Tourism auf der Reise noch nicht gänzlich ausgeschöpft
    Inzwischen existiert eine Vielzahl an unterschiedlichen technologischen Anwendungen, die im bayerischen Städtetourismus genutzt werden können. Den meisten Tourist*innen ist die komplette Fülle der Möglichkeiten jedoch noch nicht bekannt, da vorzugsweise konventionelle Technologien genutzt werden und neuere IKT noch eine untergeordnete Rolle spielen. Bisher ist die Mehrheit der Reisenden deshalb mit dem vorherrschenden Angebot (noch) zufrieden. Unter den jüngeren Reisenden ist die Unzufriedenheit bereits höher, weil sie größere Erwartungen an ein breiteres Angebot haben. Die derzeitige Situation (fragen Tourist*innen technologische Angebote erst nach, wenn sie angeboten werden oder werden solche Technologien erst angeboten, wenn sie auch nachgefragt werden) wird sich zukünftig demographisch (durch die anteilige Zunahme der Digital Natives an den Städtereisenden) und ggf. auch durch die Zunahme internationaler Reisender auflösen.
  • Die Covid-19-Pandemie erhöht die Erwartungen an das technologische Angebot im Smart Tourism
    Die Covid-19-Pandemie hat zwar einerseits zu einem enormen Einbruch der Tourist*innenzahlen im bayerischen Städtetourismus geführt, andererseits zeigte sich aber bereits im STIBS I-Projekt, dass sie anbieterseitig zu einem Ausbau des digitalen Angebotes beigetragen hat. Und auch auf der Nachfragerseite hat die Pandemie die Erwartungen an das technologische Angebot gesteigert, sodass eine Rückkehr zu einem rein analogen Besuch für die meisten Reisenden nicht mehr denkbar ist. Allerdings sind die Lernkurven bei neueren Technologien nicht so stark gestiegen. Eine Bedeutungszunahme rein virtueller Besuche kann bisher ebenfalls nicht beobachtet werden.
  • Die Potenziale des Smart Tourism werden in den touristischen Segmenten im bayerischen Städtetourismus unterschiedlich stark ausgeschöpft
    Digitale Technologien werden von den Tourist*innen in den touristischen Segmenten unterschiedlich intensiv genutzt. Am häufigsten werden sie bei Hotellerie, Gastronomie und Verkehrsanbietern und am seltensten bei Messe- und Sporteinrichtungen nachgefragt. Im Detail weichen aber die Arten der genutzten Technologien deutlich voneinander ab. Beispielsweise werden im MICE- und Sportbereich fortschrittlichere Technologien am häufigsten von den Reisenden verwendet. Eher selten nutzen Städtetourist*innen solche neuartigen IKT im Gastronomie- und Hotellerie-Bereich, hier werden demnach eher konventionelle digitale Anwendungen wie WLAN und Webseiten genutzt. Da die Nutzung neuerer IKT aber insgesamt immer noch gering ist, werden deren Potenziale von den Reisenden noch nicht vollumfänglich ausgeschöpft. Mögliche Erklärungen könnten entweder die geringe Bekanntheit der Technologien in den touristischen Einrichtungen oder Schwierigkeiten in der Nutzung sein.
  • Der bayerische Städtetourismus muss die unterschiedlichen Bedürfnisse der Tourist*innen berücksichtigen
    Bei der Umsetzung des Smart Tourism in bayerischen Städten sind verschiedene Tourist*innentypen mit unterschiedlichen Verhaltensweisen und Bedürfnissen zu berücksichtigen. Unerlässlich ist dementsprechend die Anpassung der digitalen Angebote an die jeweiligen Charakteristika der Zielgruppen, wenngleich auch die Kompetenzen sowie die Aufgeschlossenheit gegenüber smarten Technologien bei allen Reisenden tendenziell zunimmt. Den Bedürfnissen von Tourist*innen, die sich im Wesentlichen digital nur informieren wollen, wird der bayerische Städtetourismus bereits gerecht. Für viele touristische Anbieter besteht allerdings noch Handlungsbedarf gegenüber progressiveren Tourist*innentypen, die eine zunehmende Offenheit für neuartige technologische Angebote haben und auch smarte Anwendungen erwarten. Ein engerer Einbezug dieser Tourist*innentypen in die Ausgestaltung eines smarten bayerischen Städtetourismus ist auch aufgrund ihres überdurchschnittlich hohen Anteils an internationalen Gästen sinnvoll.
  • Ein smarter bayerischer Städtetourismus lässt sich nur unter Einbezug der Tourist*innen realisieren
    Aufgrund der neuen (inter)aktiveren Rolle der Tourist*innen im Smart Tourism ist die Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse von zentraler Bedeutung. Erst durch ein tiefgreifendes Verständnis der Nachfragerseite können Anbieter ihr Angebot adäquat an die Anforderungen anpassen. Solche Bottom-up-Strukturen mit dem Einbezug der Tourist*innen in diesen digitalen Transformationsprozess sind auch im bayerischen Städtetourismus sinnvoll. Einer besonderen Berücksichtigung bedarf dabei der Schutz der Privatsphäre der Tourist*innen, um eine aktive Beteiligung zu fördern. Für die Zukunft zeichnet sich ab, dass die technologischen Ansprüche an den bayerischen Städtetourismus insbesondere bei jüngeren Generationen zunehmen werden.

Projektverantwortung

PD Dr. Markus Hilpert (Universität Augsburg, Lehrstuhl Humangeographie und Transformationsforschung)

Projektbericht

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