GEFÖRDERTES PROJEKT 2020/2021

Schlagworte: Destinationsentwicklung, Geschäftsmodelle, Resilienz

IBIS hot – Entwicklung eines intelligenten Besuchermanagement-Informations-Systems für touristische Hotspots in Bayern

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Der Tagestourismus wird allgemein als Hauptverursacher von Overcrowding und Hotspotsituationen identifiziert. Gleichzeitig sichert die Nachfrage durch Tagesgäste nachweislich die Existenz vieler Gastronomie-, Einzelhandels- und Dienstleistungsbetriebe sowie von Freizeit- und Kultureinrichtungen. Ländliche Destinationen in Bayern sind durch den coronabedingten Freizeitdruck aus den Ballungsräumen stärker ins Blickfeld gerückt. Nicht mehr nur bekannte Einzelstandorte wie Neuschwanstein oder die Zugspitze sind Gegenstand punktueller Verkehrs- und Besucherlenkung, sondern unterschiedliche Destinationen sehen die Notwendigkeit, sich für eine nachhaltige Tourismusentwicklung mit Rückhalt in der eigenen Bevölkerung aktiv mit Initiativen zur Verkehrslenkung und Schaffung von Mobilitätsalternativen zum privaten PKW auseinanderzusetzen.

Dieses Projekt erarbeitet deshalb Grundlagen für eine datenbasierte Analyse von Hotspots und zur Planung von Besucherlenkungsmaßnahmen in ländlichen Destinationen. Dies soll unter anderem bayerische Destinationen dabei unterstützen, mit einem von Fakten gesteuerten Besuchermanagement künftigen Overtourism-Diskussionen besser entgegenwirken zu können. Dabei steht für die Projektverantwortlichen die Frage im Mittelpunkt, welche Datenquellen beziehungsweise Daten sich zur Identifizierung der unterschiedlichen Arten touristischer Hotspots eignen. Als mögliche Ansatzpunkte sind hier exemplarisch zu nennen: Ankunfts- und Übernachtungszahlen pro Einwohner beziehungsweise touristisch genutzter Fläche, Ein- und Auspendlerdaten, Tagesreisevolumen, Besucherzahlen von Freizeiteinrichtungen, Zweitwohnsitze, Airbnb-Einheiten etc.

Das Kernstück der Arbeit ist die Erstellung einer frei zugänglichen Datenbank, die Daten beziehungsweise Datenquellen zur Beschreibung unterschiedlicher Arten von Hotspotsituationen auflistet. Dafür werden Datenquellen klassifiziert und in ihren wesentlichen Eigenschaften für die Hotspotanalyse und die Besucherlenkung einander gegenübergestellt. Zudem werden ausgewählte Datenquellen beschrieben und deren Aussagekraft für spezifische Hotspotsituationen und die Besucherlenkung beispielhaft visualisiert. Abschließend erfolgt eine vergleichende Bewertung dieser Datenquellen hinsichtlich unterschiedlicher Kriterien.

Die gewonnenen Erkenntnisse basieren im Wesentlichen auf Expertengesprächen im Jahr 2021 mit spezifischen Dienstleistungsunternehmen im Bereich Datenlieferung und -management sowie Experten, die digital unterstützte Besucherlenkung implementieren.

Um für die Situationsanalyse einer Region oder eines Standortes Frequenzen von Besuchern und Mobilitätsbewegungen zu erhalten, stehen grundsätzlich verschiedene Datenquellen, insbesondere aus der Tourismus- und Mobilitätsstatistik, zur Verfügung. Aber auch auf Ergebnissen spezifischer Marktforschung im Bereich Urlaubs- und Tagesreisen oder das Mobilitätsverhalten der Bevölkerung kann zurückgegriffen werden. Dabei scheint die Entwicklung immer neuer digitaler Datenquellen, wie die der Mobilfunkdaten oder des so genannten Floating Car Data (FCD), die bisher durch konventionelle Marktforschungsmethoden gekennzeichnete Datengewinnung zu Tourismus- und Mobilitätsthemen schrittweise zu revolutionieren. Die folgende Abbildung gibt einen Überblick ausgewählter Datenquellen, eingeordnet nach relevanten Eigenschaften für die Besucherlenkung.

Abbildung: Ausgewählte Datenquellen, eingeordnet nach relevanten Eigenschaften für die Besucherlenkung (Quelle: dwif 2021)

Im Rahmen der Projektarbeit werden die verschiedene Datenquellen, die für die Analyse von Hotspots zur Verfügung stehen, in folgende übergeordnete Kategorien eingeordnet:

  • Rahmendaten zur Kalibrierung, Segmentierung und Modellbildung
  • Digitales Echtzeit-Management durch Sensorik-Daten, Online-Ticketing, WiFi-Frequenzmessungen
  • Problemanalyse und Prognostik durch „Big Data“
  • Vom Planungstool zur Echtzeit-Lenkung: Verkehrssensorik
  • Web-Kennzahlen, Content-analyse, Navigations- und Outdoorplattformen zur Lenkung landschaftsbezogener Aktivitäten

Zudem werden Vor- und Nachteile zusammengefasst und anhand von Fallbeispielen ihre Aussagefähigkeit zu verschiedenen Aspekten der Besucherlenkung visualisiert. Keine der Quellen ist für sich allein genommen ausreichend, um alle auftretenden Fragen zu beantworten und Grundlagen für jede Form der besucherlenkenden Maßnahme zu legen. Ein gangbarer Ansatz liegt meist in der Kombination von Datenquellen und darin, bereits existierende Quellen zu ergänzen.

Das Projekt liefert zusammenfassend einen Überblick über alle betrachteten Datenquellen und vergleicht diese noch einmal anhand dreier Kategorien, die die Aussagekraft ihrer Daten wesentlich beeinflussen. Das erste Bewertungskriterium „Erfassungskreis“ beschreibt den Umfang und den Aussagegehalt der Datenquelle, in Bezug auf ihren generellen „Scope“ und/oder die zugrundeliegende Grundgesamtheit. Das zweite Kriterium „Entwicklungen/ Modellbildung“ bewertet die Fähigkeit einer Datenquelle, Entwicklungen abzubilden und damit Zeitreihen zu liefern, die es erlauben, kombiniert mit anderen Faktoren Modelle zu bilden. Das letzte Kriterium „Besucherlenkung/Echtzeit/Granularität“ bewertet die Datenquelle in Hinsicht auf deren spezifische Eignung für die akute Besucherlenkung. Hier spielen die zeitliche Komponente und die räumliche Auflösung der Messgrößen eine Rolle. Zudem wird eine Einschätzung der potenziellen künftigen Bedeutung einer Datenquelle für die akute Besucherlenkung gegeben. Dabei besteht zum Teil ein Spannungsfeld zwischen dem theoretischen Potenzial in der Zukunft und der aktuell nur begrenzt möglichen praktischen Anwendung. Bei vielen, insbesondere den neueren Datenquellen wie etwa den Mobilfunkdaten oder App-Daten, steht die methodische Erschließung für touristische Fragestellungen noch am Anfang. Hier ist oft auch noch nicht geklärt, ob sich für das Anwendungsfeld Tourismus sogenannte „Use Cases“ erarbeiten lassen – also bezahlbare, von Destinationen zu erwerbende Marktforschungsprodukte für Besucherlenkungszwecke.

Projektverantwortung

Dr. Philipp Namberger (LMU München, Department für Geographie, Lehrstuhl für Wirtschaftsgeographie und Tourismusforschung)
Dr. Bernhard Harrer (dwif e. V.)
Dr. Andrea Möller (dwif e. V.)

Projektbericht

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