GEFÖRDERTES PROJEKT 2021/2022

Schlagworte: Besucherlenkung, Zielgruppen

Destination Y: Akzeptanz von Maßnahmen zur Besucherlenkung unter besonderer Berücksichtigung von Yield Management auf Destinationsebene

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Besucher*innenlenkung oder -management bezogen auf touristische Destinationen wird mehrheitlich als öffentlich zu gestaltende Aufgabe verhandelt. Dieses Forschungsprojekt wendet sich deshalb im Kern der Frage zu, inwiefern die einzelnen Leistungsträger*innen durch ihre eigene Produktpolitik und Marketing selbst zu einer Nachfragesteuerung beitragen könnten und inwieweit sie dazu bereit sind. Dabei ist offensichtlich, dass nachfragelenkende Maßnahmen Einzelner im Sinne einer für die Destination insgesamt verträglichen Lösung koordiniert werden müssen, können doch individuelle Situationen auf der betrieblichen Ebene durchaus voneinander abweichen und aus einzelbetrieblicher Perspektive getroffene Maßnahmen sich wechselseitig beeinflussen. Insofern wird im Projekt bewusst der erläuternde Begriff der „koordinierten Gästelenkung“ entwickelt, um in den Forschungsansatz auch die Frage nach der geeigneten steuernden Einheit und dem übergeordneten Zielkonzept mit einzuschließen. Mit der ergänzenden Fragestellung, ob Yield Management zur Nachfragesteuerung durch eine spezifische Preis- und Kapazitätsstrategie eine Lösung für die Nachfragelenkung in Destinationen beisteuern kann, wird dabei die Diskussion um ein neues Geschäftsmodell ein Stück weit angestoßen.

Synthese: Modell mit Leitfadencharakter

Das übergeordnete Ziel des Forschungsprojekts ist dabei, ein anwendungsbezogenes Modell für eine angebotsseitig „koordinierte Gästelenkung“ auf unterschiedlichen Aggregations- und Maßstabsebenen, wie z. B. touristische Destinationen, Städte und Landkreise oder Kooperationen zwischen einzelnen Akteursgruppen, zu erarbeiten. Die empirisch erhobenen Erkenntnisse zur Angebots- und Nachfrageseite in Bayern, werden vor dem Hintergrund von Praxiserfahrungen in Destinationen sowie mit Leistungsträger*innen gespiegelt und abschließend in ein Modell mit Leitfadencharakter überführt.

Stufe I: Projektplanung und Steuerungsrolle

Steuerungsrolle der DMO: Auch für einen Yield Management-orientierten Ansatz bei der Gästelenkung würde die DMO als „quasi-natürliche“ Moderatorin des Erarbeitungsprozesses fungieren, tritt sie doch bei allen im Forschungsprojekt vertretenen touristischen Gästelenkungsansätzen in dieser Rolle in Erscheinung. Relevant wäre künftig auch für Yield Management-orientierte Lenkungsansätze die gezielte Vernetzung mit einzelnen erfahrenen Partner*innen und vor allem anderen (übergeordneten) Projekten zum Ausbau der Knowhow-Basis. Kommunen wären auch für Yield Management-Ansätze in mehrfachen Funktionen einzubinden, sind sie doch im öffentlichen Raum, im Bereich der Parkplätze und des Verkehrs als Investor*innen für die technologischen Grundlagen wie z. B. Anschaffung für Sensorik und Verkehrsleittechnik gefordert. Außerdem erscheinen Kommunen in vielen Destinationen als Eigentümer*innen, Mitgesellschafter*innen und Betreiber*innen von Besuchsattraktionen wie Erlebnisbädern, Seilbahnen, Skiliften, Museen etc. und könnten prinzipiell dort ihren Einfluss für die Umsetzung lenkender Maßnahmen im Bereich der Preise und Kapazitäten geltend machen.

Stufe II: Auswahl der Akteur*innen und Zieldiskussion

Ohnehin heterogene Motivationen bei der Gästelenkung und eher diffuse Wirkungsbeziehungen zwischen den möglichen Beteiligten in einer Destination werden bei so konkreten Lenkungsansätzen wie Preisbildung und Kapazitätsverfügbarkeiten vermutlich noch stärker zu Tage treten. Entsprechend schwierig dürfte es deshalb werden, diesbezüglich aufgeschlossene Leistungsträger*innen zu identifizieren. Der Denkansatz des Integrierten Tourism Yield (ITY) eignet sich hier auch als systematisierendes Modell, um die wechselseitig miteinander verknüpften Zieldimensionen und deren jeweilige Erträge, die mit Gästelenkung verbunden sein können, sichtbar und einer gemeinschaftlichen Diskussion durch die beteiligten Akteur*innengruppen zugänglich zu machen. Er integriert dabei ökonomische Ziele mit sozialen und ökologischen und erweitert so den rein an monetärer Profitmaximierung orientierten Yield-Begriff. Dies ermöglicht die wechselseitige Gewichtung der entsprechenden Ziele.

Stufe III: Digitalisierung und Yield Management-Ansätze

Für ein destinationsbezogenes Yield Management, welches unter Lenkungsgesichtspunkten tageszeitaktuelle Preissignale und Kapazitätsverfügbarkeiten aller Besuchsattraktionen einer Destination ausspielt, um Gäste dahin zu lenken, wo Kapazitäten verfügbar sind und zusätzlich ausgelastet werden sollen, bedarf es einer entsprechenden technisch-organisatorischen Infrastruktur.

Stufenplan mit Maßnahmenportfolio

Der Stufenplan (siehe Abbildung) fasst die Erkenntnisse des Forschungsprojekts für eine „koordinierte Gästelenkung“ unter Berücksichtigung des Yield Managements zusammen. Die Stufen 1 bis 3 werden in ihrer Reihenfolge leitend als Orientierung für das Vorgehen auf Destinationsebene empfohlen. Neu hinzu gestellt wird das Maßnahmenportfolio differenziert nach Prioritäten. Unverzichtbare Basisaufgabe ist und bleibt die Schaffung der technischen Voraussetzungen (elektronische Buchbarkeit, sichtbare Preise und Transparenz von Verfügbarkeiten). Parallel dazu müssen sukzessive ein gemeinsames Verständnis für die Notwendigkeit und Chancen einer Preissteuerungspolitik innerhalb des Destinationsnetzwerkes und damit die organisatorischen sowie regulatorischen Rahmenbedingungen entwickelt werden. Maßnahmen aus dem Bereich Kommunikation und Marketing bieten möglicherweise einen von allen Beteiligten leicht zu akzeptierenden Einstieg wie z. B. Geheimtipp-Marketing, Verhaltenshinweise für Urlaubs- und Tagesgäste o.ä. Gleichzeitig können die Akteur*innen betriebsspezifische Maßnahmen umsetzen und sich dabei gegebenenfalls Unterstützung von „fortgeschritteneren“ Betrieben holen, z. B. beim Thema digitale Ticket- und Reservierungssysteme. Anschließend können gemeinsame Kund*innenprozesse (z. B. Einführung digitaler Buchungs- und Reservierungssysteme, Zeitslots, Arbeiten mit Kontingenten etc.) verbessert oder erste Schritte in Richtung einer kooperativen Produktentwicklung gegangen werden. Die Themen Preispolitik oder überbetriebliche Abstimmung bei den Betriebsabläufen (z. B. Öffnungszeiten) können eine Folge aus den vorherigen Schritten sein oder zum Nachdenken anregen – sollten aber nicht im Vordergrund stehen.

Fazit

Das theoretische Konstrukt Yield Management in seiner Übertragung auf die destinationstypische Situation scheitert vorerst an der Realisierung der wesentlichen Voraussetzungen. Ein erster Schritt dorthin könnte in der zunächst „reinen“ Transparenz von Preisen, Öffnungszeiten und verfügbarer Buchbarkeit von Angeboten liegen, die ggf. sukzessive das Bewusstsein für Vorteile einer gemeinsamen Preisbildung und preisgesteuerten Lenkung sich entwickeln lassen kann. Diese könnte ähnlich dargestellt werden wie die Suchergebnisse von booking.com in einer Karte, wo die Einrichtungen verortet sind und der aktuelle Preis angezeigt wird. Zusätzlich könnte farblich (z. B. mit einer Ampel-Skala) die Auslastung und Ticketverfügbarkeit dargestellt werden. Diese Daten müssten bei den Betrieben und Einrichtungen (teilweise in Echtzeit) erhoben und auf einer Datenplattform zur Verfügung gestellt werden, sodass sie sich digital und in Echtzeit an Gäste ausspielen lassen.

Projektverantwortung

Projektleitung: PD Dr. Philipp Namberger (Ludwig-Maximilians-Universität München, Department Geographie)
Dr. Bernhard Harrer (dwif); Dr. Andrea Möller (dwif); Heiko Rainer (dwif)

Projektbericht

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