GEFÖRDERTES PROJEKT 2023/2024

Schlagworte: Finanzierung, Tourismusabgaben

Erwartbare Auswirkungen eines abgabenfinanzierten Tourismus auf bayerische Destinationen – Eine empirische Analyse der kausalen Effekte neuer Tourismusabgaben in Deutschland

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Die anhaltend hohen Ausgabenbelastungen der Kommunen durch Pandemie, Inflation und Alterung der Gesellschaft stellen die künftige Finanzierung des Tourismus vor große Herausforderungen. Vor diesem Hintergrund widmet sich das vorliegende Projekt einer Analyse der möglichen Auswirkungen neuer Tourismusabgaben in bayerischen Destinationen. Neben einem Literaturüberblick nutzt es die Einführung von Tourismusabgaben – Steuern und zweckgebundenen Abgaben – in 49 deutschen Kommunen außerhalb Bayerns zwischen 2008 und 2019, um im Rahmen umfassender empirischer Analysen erstmalig für Deutschland zu untersuchen, wie sich diese auf touristische Kennzahlen in diesen Kommunen auswirkten. Geschätzt werden die Effekte auf Basis moderner ökonometrischer Methoden, in denen vergleichbare Kommunen ohne Einführung neuer Steuern und Abgaben als Kontrollgruppe für kontrafaktische Benchmark-Szenarien dienen.

Auf Basis der mikroökonomischen Theorie der Steuerinzidenz, der spärlich vorhandenen internationalen empirischen Literatur sowie den empirischen Ergebnissen der Studie lässt sich ableiten, dass die Auswirkungen maßgeblich von der Ausprägung der Alleinstellungsmerkmale einer Destination abhängen. Urbane Reisegebiete sind häufig mit bedeutenden, destinationsspezifischen kulturellen oder sozialen Attraktoren ausgestattet und/oder bilden wichtige Geschäftsreiseziele. In solchen Destinationen reagiert die Nachfrage tendenziell schwächer auf kleine Preisveränderungen als in Destinationen, in denen der Preis im Vergleich zu anderen Zielen mit ähnlichen Attraktoren eine wichtigere Rolle spielt.

Case-Studies für einzelne Kommunen in unterschiedlichen Arten von Reisegebieten auf Basis der Synthetic Control Method verdeutlichen eine breite Streuung der Entwicklungen nach der Einführung einer Tourismussteuer oder Abgabe. Analysen der durchschnittlichen Effekte mittels Event-Study Difference-in-Differences-Ansatz verdeutlichen insgesamt temporäre, leicht negative Abweichungen in den Tourismusentwicklungen gegenüber den kontrafaktischen Benchmark-Szenarien in den ersten drei Jahren nach deren Einführung. Nach vier bis fünf Jahren sind, vermutlich aufgrund von Gewöhnungseffekten, im Durchschnitt keine Unterschiede zu den Benchmark-Szenarien mehr zu erkennen.

Detailanalysen zeigen für urbane Regionen statistisch insignifikante, negative Effekte auf die Übernachtungszahlen in Höhe von minus zwei Prozent bis minus vier Prozent in den ersten drei Jahren gegenüber dem Benchmark, für nicht-urbane Regionen fallen diese negativen Effekte mit minus sieben Prozent bis minus zehn Prozent stärker aus, bleiben jedoch insgesamt ebenfalls statistisch insignifikant. Ähnliche Resultate treten auch für die Ankünfte und die Zahl der Betriebe zu Tage. Steuern wirken sich gemäß den Ergebnissen weniger negativ als Abgaben aus. Dies liegt einerseits daran, dass Steuern vorwiegend in den urbanen Destinationen eingeführt wurden (in denen die negativen Effekte insgesamt geringer ausfallen). Andererseits ist dieses Ergebnis mutmaßlich auch der degressiven Wirkung von Abgaben in Form von Fixbeträgen geschuldet, die das preissensible Low-Budget-Segment überproportional belasten, während Steuern alle Segmente mit dem gleichen Prozentsatz belasten.

Fazit

Die Studienergebnisse verdeutlichen, dass für die kommunale Finanzierung des Tourismus keine „One-Size-Fits-All“-Lösung vorliegt. Etwaige Tourismusabgaben und -steuern müssen sorgfältig auf Basis der lokalen Gegebenheiten gedacht werden, insbesondere unter Berücksichtigung und Vorab-Analyse der Ausprägung von Alleinstellungsmerkmalen und der damit verbundenen Preiselastizität der Nachfrage in der Destination.
Insbesondere in Kommunen mit bedeutenden kulturellen oder sozialen Attraktionen sowie in wichtigen Geschäftsreisezielen sind keine oder nur geringe negative Auswirkungen zu erwarten, da die Reisemotive hier meist sehr spezifisch sind und die Substituierbarkeit der vorhandenen Attraktoren durch die Wahl anderer Destinationen sehr begrenzt ist. Dies ist insbesondere in urbanen Reisegebieten häufig der Fall.

Im Falle der Einführung von Tourismusabgaben empfiehlt sich die Berücksichtigung des Leistungsfähigkeitsprinzips. Demnach sollte die Abgabenlast proportional zur Zahlungsfähigkeit der Besucher gestaltet sein. Eine prozentuale (Ad-Valorem-)Lösung erweist sich dabei als ökonomisch treffsicherer als ein Fixbetrag, da letzterer eine überproportionale Belastung des Low-Budget-Segments zur Folge hat und damit stärker marktverzerrend wirkt. Die vergleichsweise geringe Anzahl an „Treatment“-Fällen und der begrenzte Beobachtungszeitraum (2008–2019) limitieren die Generalisierbarkeit der Studienergebnisse.

Projektverantwortung

Projektleitung: Prof. Dr. Matthias Firgo (Fakultät für Tourismus, Hochschule München)

Projektbericht

Hinweis: Der PDF-Blätterkatalog enthält keinen Anhang. Unter „Download“ finden Sie den vollständigen Bericht.

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