KAMINGESPRÄCH

Tourismusbewusstsein und Tourismusakzeptanz

Garmisch-Partenkirchen I 6. August 2025

Bayern ohne Tourismus wäre ein anderes Bayern, denn der Tourismus ist nicht nur ein bedeutender Wirtschaftsfaktor, sondern auch wichtig für die Lebensqualität in den bayerischen Regionen.

Für die zukunftssichere Entwicklung des Tourismus ist es unerlässlich, sich mit dem Tourismus sowohl aus der Sicht der Gäste als auch aus Sicht der Einheimischen zu beschäftigen. Da das Tourismusbewusstsein und die Tourismusakzeptanz seitens der Einheimischen die Basis für die touristische Entwicklung darstellen, haben wir mit den Bewohnerinnen und Bewohnern der Zugspitz Region sowohl über die positiven als auch die negativen Auswirkungen des Tourismus diskutiert.

Das Kamingespräch wurde in Kooperation mit dem Tourismusverband Oberbayern München e.V. sowie der Zugspitz Region GmbH veranstaltet.

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Referenten aus Wissenschaft und Praxis

Prof. Dr. Alfred Bauer

Vorsitzender

Bayerisches Zentrum für Tourismus e.V.

Kernaussagen
  • 59 Prozent der Befragten sind aktuell (sehr) zufrieden mit ihrem Leben. Dabei zeigt sich ein Zusammenhang zwischen der touristischen Prägung einer Region und der Lebenszufriedenheit: Je stärker der Tourismus im Wohnumfeld ausgeprägt ist, desto höher ist die Zufriedenheit der Bevölkerung mit ihrem Leben.
  • Die Mehrheit der bayerischen Bevölkerung sieht grundsätzlich die positiven Auswirkungen des Tourismus für die eigene Region, wie beispielsweise Arbeitsplätze und Einnahmequellen für die einheimische Bevölkerung und ein attraktives Lebens- und Wohnumfeld.
  • Auch die persönlichen Auswirkungen auf den eigenen Wohnort und die Region bewerten 38 Prozent respektive 46 Prozent überwiegend/eher positiv. In Oberbayern fallen diese Werte etwas geringer aus.
  • Das zeigt sich auch im Tourismusakzeptanzsaldo: In Bayern liegt der Wert durchschnittlich bei 37 Prozent, wohingegen Oberbayern als einziger Regierungsbezirk unter diesem Wert liegt.
  • Während sich in Bayern eine große Mehrheit (60 Prozent) nicht durch den Tourismus in der eigenen Lebensregion gestört fühlen, empfinden 16 Prozent der Befragten den Tourismus störend. Diese negative Empfindung steigt je jünger die Befragten sind.

Sebastian Kramer

Geschäftsführer

Zugspitz Region GmbH

Kernaussagen
  • Der Tourismus ist ein zentraler Wirtschafts- und Standortfaktor, beeinflusst Lebensqualität, Infrastruktur, Arbeitsplätze und Umwelt und erfordert gegenseitiges Verständnis zwischen Tourismuswirtschaft und der einheimischen Bevölkerung.
  • Der Tourismus und die angeschlossene Infrastruktur prägt die gesamte Zugspitz Region und sorgt für 15,1 Prozent des Primäreinkommens in der Region.
  • Im Jahr 2024 sorgten 5 Mio. Übernachtungen und 9,4 Mio. Tagesreisen in der Zugspitz Region für einen Bruttoumsatz aus touristischen Aktivitäten von 960 Mio. Euro.
  • Ein Übernachtungsgast gab 2024 pro Tag durchschnittlich vier Mal so viel aus wie ein Tagesgast.
  • Trotz Rückgang der Gästezahlen ist die wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus für die Zugspitz Region gestiegen.
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Ergebnisse der Workshops

Um die Thematik aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, wurde das Auditorium in zwei Workshopgruppen unterteilt, in welchen jeweils Fragestellungen in Bezug auf die Zugspitz Region zu den Themenschwerpunkten “Aktuelle Herausforderungen“, „Ideen zur Verbesserung“ und „Zugspitz Region ohne Tourismus“ diskutiert wurden. Im Anschluss wurden die Resultate der Diskussionen von jeder Workshopgruppe im Plenum vorgestellt.

Die Ergebnisse der Workshops lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Aktuelle Herausforderungen – Wo drückt der Schuh?

  • Stark angespannte Verkehrssituation (Durchgangsverkehr, Überlastung der Parkmöglichkeiten)
  • Überlastung des ÖPNV durch hohes Touristenaufkommen und schlechte ÖPNV-Anbindung
  • Überlaufene Hotspots, „Overtourism“, Gefühl von zu vielen Touristen
  • Verdrängung der Einheimischen
  • Fehlendes touristisches Leitbild der Kommunen und der Region bzw. fehlende Vision für die Zukunft der Tourismusregion (als Ganzjahresdestination/Ersatz für Wintertourismus)
  • Keine Besucherlenkungsmaßnahmen in der Region
  • Keine partizipative Tourismusgestaltung (Einbindung von Einheimischen)
  • Ökologische Belastung der Region (u. a. Müllentsorgung in der Natur durch Touristen, Luftverschmutzung)
  • Rücksichtsloses Verhalten und fehlende Wertschätzung seitens der Gäste (u. a. keine Akzeptanz der persönlichen Grenzen der Einheimischen, kein Respekt vor Natur und Umwelt)
  • Wohnraummangel für Einheimische, Mangel an bezahlbarem Wohnraum für Einheimische und Mitarbeitende (u. a. zu viele Ferienwohnungen, Zweitwohnsitze)
  • Wille zur Veränderung fehlt (vor allem auf Seiten der Kommunalpolitik, „es hat doch immer so funktioniert“-Haltung)
  • Verbote anstatt Lösungen
  • Firmen bekommen keine Mitarbeiter (u. a. wegen Wohnraummangel)
  • Nutzungs- und Generationenkonflikte (kaum Angebote für die Jugend)

Ideen zur Verbesserung

  • Gemeinsam erarbeitetes Tourismus-/Destinationskonzept (von der Winter- zur Ganzjahresdestination); verstärkte Einbeziehung und Dialog mit Einheimischen zur künftigen Tourismusgestaltung
  • Klare und offene Kommunikation mit allen Vertretern und Profiteuren des Tourismus
  • Besucherlenkung/-steuerung (z. B. Ticketsysteme, Abgaben für Tagesgäste)
  • Entwicklung neuer, generationenübergreifender Konzepte (Wohnkonzepte, Freizeitraum & Aktivitäten)
  • Entwicklung eines Konzeptes für Zweitwohnsitze, Ferienwohnungen, Leerstände
  • Verkehrskonzept: Ausbau des ÖPNV, Schaffen von mehr Parkmöglichkeiten
  • Wille zur Veränderung vonseiten der Politik

Was wäre die Zugspitz-Region ohne Tourismus?

  • nichts, leer, ausgestorben
  • Weniger Umsatz und Einnahmen
  • Fehlende Angebote und Infrastruktur (Gastronomie, Freizeit, Versorgung etc.)
  • Es gäbe günstigeren Wohnraum.
  • Mehr Raum und Platz: für die Einheimischen, zum Wohnen und Leben und für andere Wirtschaftsbranchen

Es hat sich in den Diskussionen gezeigt, dass die touristische Prägung der Region nicht infrage gestellt wird. Viel eher gilt es zu diskutieren, wie die (touristische) Entwicklung in Zukunft partizipativ und im Einklang mit Natur und der einheimischen Bevölkerung gestaltet werden kann. Hierfür müssen gemeinsam ganzheitliche, d. h. nicht nur sektoral auf den Tourismus bezogene, Lösungen gefunden werden, sodass die Zugspitzregion auch in Zukunft eine attraktive Lebens-, Arbeits- und Urlaubsregion für alle ist.

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