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Schlagworte: Tourismuszukunft, Investitionen

Ankerinvestitionen für einen zukunftsfähigen Tourismus?

Von Kristina Kastelan und Daniela Kreitmeier, 17. Dezember 2024

© iStock.com/artiemedvedev

Ankerinvestitionen im Tourismus bezeichnen bedeutende, strategische Investitionen, die das Potenzial haben, die Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftliche Entwicklung des touristischen Sektors einer Region oder eines Landes zu fördern und langfristig wirtschaftliches Wachstum zu schaffen. Diese Investitionen sind in der Regel große Projekte, die nicht nur den Tourismussektor direkt betreffen, sondern auch eine Vielzahl von Nebenindustrien anziehen, wie etwa Gastronomie, Einzelhandel, Transport und lokale Dienstleistungen. Insgesamt sind Ankerinvestitionen ein wesentlicher Baustein für die langfristige Entwicklung einer nachhaltigen und resilienten Tourismuswirtschaft und damit entscheidend für einen zukunftsfähigen Tourismus.

Definition und Begriffsklärung

Der Begriff der Ankerinvestition ist in der wissenschaftlichen Literatur nicht eindeutig definiert. In der Start-Up-Szene wird der „Ankerinvestor“ als ein Investor beschrieben, „… der eine bedeutende Menge an Kapital in ein Startup investiert, um andere Investoren anzuziehen. Der Anchor Investor ist oft der erste Investor, der in ein Startup investiert und somit das Vertrauen anderer Investoren gewinnt. Dies ist besonders wichtig für Startups, die Schwierigkeiten haben, Kapital von anderen Investoren zu erhalten“ (Startup Insider GmbH 2023). Auch die Finanzwelt beschreibt den Begriff des „Ankeraktionärs“. Hiermit „werden Aktionäre bezeichnet, die einen wesentlichen Anteil an einem Unternehmen halten. […] Ankeraktionäre zeichnen sich dabei durch einen langfristigen Anlagehorizont und aktives Interesse an der Weiterentwicklung des Unternehmens aus“ (boerse.de Finanzportal GmbH o. J.). 

Daran angelehnt beziehen sich Ankerinvestitionen im Tourismus, oftmals auch als „Impulsinvestition“ oder „Leitinvestition“ bezeichnet, auf groß angelegte, bedeutende Investitionen in die (touristische) Infrastruktur, Attraktionen bzw. wichtige Projekte (zuweilen auch als Leuchtturmprojekte beschrieben). Sie gelten vielfach als Zugpferde für weitere Investitionen, da sie oft einen signifikanten, nachhaltigen Einfluss auf die gesamte touristische Wertschöpfungskette haben und als „Anker“ oder Katalysator für die Entwicklung einer Region oder Destination dienen. Zu den häufigsten Formen von Ankerinvestitionen im Tourismus gehören: 

Hotel- und Resortbau

Luxuriöse Hotels oder große Ferienanlagen schaffen nicht nur direkte Arbeitsplätze, sondern ziehen auch weitere Investitionen in die Region an – sei es in Form von Restaurants, Freizeitangeboten oder Infrastrukturprojekten. 

Infrastrukturprojekte

Der Bau neuer Flughäfen, Hafenanlagen oder Bahnverbindungen kann ebenfalls als Ankerinvestition gelten, da er die Erreichbarkeit einer Region verbessert und damit den Tourismus fördert. Auch der Bau von großen Kongresszentren oder Messegeländen stellt eine weitere Art von Ankerinvestition dar, die sowohl für die Tourismusindustrie als auch für die lokale Wirtschaft von Bedeutung ist. Diese Investitionen ziehen Geschäftsreisende und Fachbesucher an, was zu einer Erweiterung der touristischen Infrastruktur und einer Verstärkung der regionalen Wirtschaft führt. 

Freizeitparks und Themenwelten

Themenparks und Freizeitparks sind typische Ankerinvestitionen, die darauf abzielen, große Menschenmengen anzuziehen und langfristige touristische Ströme zu generieren. Diese Parks bieten eine Kombination aus Unterhaltung, Kultur und Erlebniswelten, die oft auf den Interessen und Vorlieben eines breiten Publikums ausgerichtet sind.

Kultur- und Sportveranstaltungen

Der Bau von Veranstaltungsstätten für internationale Events wie Festivals, Konzerte oder Sportwettkämpfe (z. B. Olympische Spiele oder Fußball-Weltmeisterschaften) kann langfristig als Katalysator für den Tourismus dienen. 

Chancen und Vorteile von Ankerinvestitionen

Ankerinvestitionen bieten zahlreiche Chancen und Vorteile, die weit über die unmittelbaren Effekte hinausgehen. Sie können den Weg für nachhaltiges Wachstum ebnen, Arbeitsplätze schaffen, die touristische Attraktivität steigern, Innovationen fördern und langfristig die Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftliche Stabilität einer Region oder eines Landes stärken. Erfolgreiche Ankerinvestitionen zeichnen sich durch eine enge Zusammenarbeit zwischen öffentlichem und privatem Sektor aus. Die Bedeutung von Investitionsförderungen wurde dabei bereits erkannt und verschiedene Förderprogramme auf Bundes- und Landesebene geschaffen (Investitionsbank Schleswig-Holstein 2024; BMWK 2024; MWVLW o. J. & 2023). Staatliche Förderprogramme und Investitionsanreize können dabei helfen, die initialen finanziellen Risiken für private Investoren zu minimieren. Ebenso fördern und tätigen touristische Unternehmen Ankerinvestitionen und schaffen so Anreize für weitere Investitionen (Tourismusnetzwerk Rheinland-Pfalz 2023; Tourismusnetzwerk Thüringen 2024). Gleichzeitig sollte die lokale Bevölkerung in den Entwicklungsprozess einbezogen werden, um die sozialen und ökologischen Auswirkungen der Projekte zu berücksichtigen. Der nachstehende Überblick skizziert die wesentlichen Effekte von Ankerinvestitionen.

Regionalentwicklung und ökonomische Effekte
  • Schaffung/Sicherung von nicht verlagerbaren Arbeitsplätzen
  • Direkte (Steuer-)Einnahmen aus dem Tourismus (Haarich & Plaza 2010)
  • Förderung des lokalen Gewerbes und Stärkung der lokalen/regionalen Zulieferer (Project M 2015)
  • Steigerung des touristischen Umsatzes (längere Verweildauer und höheres Ausgabenniveau)
  • Unterstützung des lokalen Einkommens (Bauer et al. 2021)
  • Signalwirkung für weitere Investoren: Auslösen von Folgeinvestitionen im Gastgewerbe, der (öffentlichen) Infrastruktur usw. (Kantsberger et al. 2022; Bauer et al. 2021)
  • Unterstützung der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) bzw. der lokalen Betriebe durch die gesteigerte Tourismusnachfrage
  • Synergieeffekte: Steigerung der Nachfrage nach lokalen Produkten und anderen Dienstleistungen wie Einzelhandel, Gastronomie und kulturellen Angeboten (Kantsberger et al. 2022)
  • Umwegrentabilitäten durch einen erhöhten Konsum in der betreffenden Region (Metzler 2007; Kantsberger et al. 2022)
  • Stimulierung der lokalen Wirtschaft im Allgemeinen sowie Verbesserung der Standortqualität (Bauer et al. 2021)
  • Beitrag zur langfristigen Entwicklung der Destination
  • Förderung der Entwicklungschancen strukturschwacher Räume und in der Folge Ausgleich regionaler wirtschaftlicher Ungleichheiten (Bauer et al. 2021)
  • Privatwirtschaftliche (Anker-)Investitionen als wichtige Entwicklungsimpulse bei knapper öffentlicher Haushaltslage
  • Ansiedlung weiterer Unternehmen aus der Branche sowie deren Zulieferer
  • Zumeist auch Aufwertung der Gebiete rund um die Ankerinvestition (Crone 2022; Haarich & Plaza 2010)
  • Verringerung des wahrgenommenen Risikos für Folgeinvestitionen
  • Qualitätssteigerung der Angebote und Dienstleistungen
  • Diversifizierung der lokalen Wirtschaft und Verringerung der Abhängigkeit von Einzelattraktionen (Harth 2014)
  • Stärkung der wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit
  • Bindung der „einheimischen“ Ausgaben und Kaufkraft durch ein erweitertes und qualitativ aufgewertetes Angebot (Bauer et al. 2021)
  • Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit von Destinationen (Kantsberger et al. 2022; Nguyen 2021)
  • Sicherung des (dauerhaften) Betriebes und Unterhaltes der infrastrukturellen Einrichtungen mit der Anpassung an aktuelle Markt- und
  • Nachfrageerfordernisse bzw. Kundenbedürfnisse (BMWi 2013)
  • Beitrag zu nachhaltigen und strategischen Tourismusentwicklung (Anstoß für langfristige Planung/Gesamtkonzept) mit dauerhafter Wertschöpfung
  • Schaffung, Sicherung und Verbesserung der notwendigen (Begleit-)Infrastruktur (Verkehrsanbindungen, Unterkünfte und Freizeitangebote)
Soziale und kulturelle Effekte
  • Verbesserung der Lebensqualität und des Allgemeinwohls durch ein breiteres und besseres Angebot an Dienstleistungen, Freizeitmöglichkeiten und Infrastruktur, die auch der Wohnbevölkerung zugutekommen (Cárdenas-García & Pulido-Fernández 2019; Nguyen 2021)
  • Teilhabe der Bevölkerung an den Vorzügen des Tourismus (Andereck et al. 2007)
  • In der Folge: Steigerung des Tourismusbewusstseins und der Tourismusakzeptanz
  • Stärkung und Förderung der kulturellen Angebote
  • Erhaltung des kulturellen Erbes, u. a. durch den Bau von Museen, kulturellen Zentren oder durch die Förderung lokaler Festivals und Traditionen
  • Beitrag zur Stärkung der kulturellen Identität und der Traditionen der Region
  • Aufwertung des Stolzes der Wohnbevölkerung (Harth 2014)
Umweltauswirkungen und ökologische Effekte
  • Förderung der nachhaltigen Destinationsentwicklung aufgrund einzuhaltender Nachhaltigkeitsvorgaben bei neuen Projekten
  • Etablierung bzw. Push von Nachhaltigkeitskonzepten zur Minimierung der negativen Effekte mit Ankerinvestitionen als Best Practices (UNWTO & UNDP 2017)
  • Förderung umweltfreundlicher Praktiken zur langfristigen Sicherung des Tourismus
Effekte auf die Tourismusdynamik und Imagebildung
  • Steigerung des Images einer Destination sowie der Zufriedenheit der Gäste (Kantsberger et al. 2022; Nguyen 2021)
  • Steigerung der Bekanntheit und medialen Sichtbarkeit bzw. Aufmerksamkeit
  • Aufwertung der Attraktivität der Destination
  • Unterstützung bei Markenbildung und Positionierung als attraktive Marke gegenüber den Wettbewerbern („Branding“) (Crone 2022)
  • Erschließung neuer Zielgruppen durch Diversifizierung des Angebots, der Services und Aktivitäten (Dwyer & Kim 2003)
  • Steigerung der Besucherzahlen, der Auslastung und Saisonverlängerung (Dwyer & Kim 2003; Kantsberger et al. 2022)
  • Ankerinvestitionen als Kristallisationspunkte schaffen neue Reiseanlässe (BMWi 2013)
  • Hilfreich im Kampf um Arbeitskräfte, indem sie der Abwanderung der eigenen Wohnbevölkerung vorbeugen können (Crone 2022)
  • Bildung von Tourismusclustern: Ansiedlung verwandter Unternehmen und Dienstleister
  • Steigerung der Anziehungskraft für überregionale Geschäftsmöglichkeiten, Investoren und Partnerschaften
  • Erweiterung des touristischen Gesamtangebotes
  • Steigerung der (Erlebnis-)Qualität innerhalb der Destination
  • Verringerung der Abhängigkeit von einer einzelnen touristischen Zielgruppe
  • Förderung der allgemeinen Investitionsdynamik (Haarich & Plaza 2010; Kantsberger et al. 2022)
  • Förderung neuer Technologien und Geschäftsmodelle
  • Langfristige Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität
  • Professionelleres Investitions-Ökosystem und Management durch den Einstieg von professionellen Investoren (OECD 2019)

Herausforderungen und Risiken von Ankerinvestitionen

Obwohl Ankerinvestitionen großes Potenzial für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung bieten, sind sie auch mit zahlreichen Herausforderungen und Risiken verbunden. Diese Herausforderungen können sowohl die Investoren als auch die entsprechenden Regionen betreffen und müssen sorgfältig berücksichtigt werden, um den Erfolg der Investition langfristig sicherzustellen. Die wichtigsten Herausforderungen umfassen: 

Regionalentwicklung und ökonomische Auswirkungen
  • Hohes finanzielles Risiko aufgrund hoher Anfangsinvestitionen
  • Genereller Investitionsstau in vielen Bereichen bzw. Frage der Mittelherkunft bei Investitionen seitens des Staates (Bibow 2015; Hans-Böckler-Stiftung 2019)
  • Erhöhung des finanzielles Risiko durch omplexe und langwierige Planungs- und Umsetzungsphasen – erschwert durch raumbezogene Regulierungen (Aliesch et al. 2020; OECD 2019)
  • Großer Kapitalbedarf auf Seiten der privaten und/oder öffentlichen Investoren bei abnehmender Verfügbarkeit von Eigenkapital
  • Schwierige Erfolgsprognosen bzw. unsicherer Return on Investment (ROI) z. B. durch unvorhergesehene Erhöhung der Baukosten, steigendes Zinsniveau etc. (Kantsberger et al. 2022; Bauer et al. 2021; Metzler 2007)
  • Schwieriger Nachweis der Rentabilität (insbesondere von Privatinvestitionen in öffentliche Infrastruktur) und langsame Amortisation von Investitionen (Butler 2006)
  • Kurze Reinvestitionszyklen (Metzler 2007): kontinuierliche Investitionen für Pflege, Instandhaltung, stetige Qualitätssteigerung und Anpassung an Markttrends durch Abnutzungseffekte (Harth 2014; OECD 2019)
  • Gefahr der Monopolisierung und Verdrängung lokaler Kleinunternehmer durch multinationale Unternehmen: Erzielung von Gewinnen durch wenige, großen Unternehmen (Harth 2014)
  • Kurzfristiges Gewinnstreben: keine nachhaltige, langfristige und integrierte Entwicklungsstrategie
  • Sicherstellung der Spillover-Effekte für die lokale Wirtschaft bzw. ausreichende Einbindung der lokalen Wirtschaft (Cárdenas-García & Pulido-Fernández 2019; Harth 2014)
  • Durch fehlende oder mangelhafte Ausstrahlungseffekte in andere Stadtgebiete oder in die Region mögliche Verstärkung der wirtschaftlichen Ungleichheit durch einseitige Verteilung der Gewinne
  • Import von Waren und Dienstleistungen anstelle der Nutzung des lokalen Angebots (Crone 2022)
  • Adäquate Instrumente (seitens Politik) für eine „… möglichst grosse [sic] finanzielle Hebelwirkung […] der begrenzten öffentlichen Ressourcen“ (OECD 2019, S. 6)
  • Förderung der allgemeinen Investitionsdynamik (Haarich & Plaza 2010; Kantsberger et al. 2022)
  • Förderung neuer Technologien und Geschäftsmodelle
  • Langfristige Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität
  • Professionelleres Investitions-Ökosystem und Management durch den Einstieg von professionellen Investoren (OECD 2019)
  • Negative Auswirkungen auf Bevölkerung, Wirtschaft und Umwelt durch fehlende, ortskundige Planung, Koordination und Management der Ankerinvestitionen (UNWTO & UNDP 2017)
  • Zu geringe Einbindung von lokalen Regierungen und Unternehmen in Entscheidungsprozesse bzw. in die „…Ausgestaltung und Effektivität der brancheninternen Netzwerkarbeit“ (Kantsberger et al. 2022, S. 13)
  • „Entwicklung von Strategien für Investitionen sollte sich an breiter gefassten touristischen Entwicklungsstrategien und politischen Prioritäten ausrichten“ (OECD 2019, S. 6)
  • Langwierige Genehmigungsverfahren, in Abhängigkeit der Unterstützung seitens der öffentlichen Hand (Crone 2022)
  • Keine optimale Integration in die regionale Entwicklung sowie fehlende/mangelnde touristische Gesamtkonzepte (BMWi 2013)
  • Fehlende Langzeitperspektive und/oder mangelnde Zukunftsorientierung bzw. fehlende Vision für die Destination (Crouch 2011)
  • Gewährleistung von Planungs- und Finanzierungssicherheit über die gesamte Projektlaufzeit (Aliesch et al. 2020)
  • Positive Wirkung von Ankerinvestitionen nur durch qualitative Stimmigkeit der (Begleit-)Infrastruktur und (Lebens-)Qualität im Umfeld (Harth 2014; Haarich & Plaza 2010)
  • Erschwerte fristgerechte Umsetzung und Realisierung bei überdimensionierten Projekten
  • Notwendigkeit von adäquaten Kontrollmechanismen für die Planungs- und Realisierungsphase angesichts der langen Laufzeiten und des hohen Kapitalbedarfs (kontinuierliche Risikoanalyse)
  • Unausgelastete Infrastruktur, finanzielle Verluste und Überforderung der lokalen Gemeinschaft durch nicht ausreichende Berücksichtigung der tatsächlichen Nachfrage oder Kapazitäten der Destination
  • Verfügbarkeit von personellen oder fachlichen Ressourcen zur professionellen Planung und Umsetzung (Kantsberger et al. 2022)
  • Mangelnde, begleitende Öffentlichkeitsarbeit zur Steigerung der Akzeptanz sowie Sichtbarkeit (Harth 2014)
Soziale und kulturelle Effekte 
  • Gefahr der Entfremdung und wachsende Unzufriedenheit in der Bevölkerung durch Dominanz der externen Akteure (Investoren, multinationale Konzerne) mit wenig Rücksicht auf die Interessen der lokalen Gemeinschaft
  • Steigerung der sozialen Konflikte, des Widerstandes und der Proteste (Andereck et al. 2007)
  • Öffentliche Beteiligungsverfahren als Planungsrisiko aufgrund des schwer kalkulierbaren Ausgangs (Crone 2022)
  • Erfolgsabhängigkeit der Ankerinvestition von Tourismusbewusstsein und Tourismusakzeptanz, v. a. in der Darlegung des Nutzens im Vergleich zu den hohen Kosten (Crone 2022)
  • Teilhabe/Partizipation der Einheimischen als wesentlicher Faktor der Unterstützung des Vorhabens sowie des späteren wirtschaftlichen Erfolgs (Harth 2014)
  • Soziale Spannungen zwischen Einheimischen und Gästen, insbesondere an Hotspots (Andereck et al. 2007)
  • Auslösung von sozialen (Nutzungs-)Konflikten und Gentrifizierung (Crone 2022; Haarich & Plaza 2010)
  • Verdrängung und zum Teil Enteignung von (eigenem) Land (Haarich & Plaza 2010)
  • Steigende Lebenshaltungskosten (Andereck et al. 2007)
  • Mögliche negative Folgen auf Teilhabe durch Preisgestaltung und -entwicklung (Harth 2014)
  • Gefühl der Benachteiligung und einseitigen Belastung bei Einheimischen durch mangelnde Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Interessenabwägungen (Aliesch et al. 2020)
  • Verfälschung und Kommerzialisierung der lokalen Kultur
  • Verlust der Authentizität
  • Möglicher sozialer Wandel der lokalen Gesellschaft (Andereck et al. 2007)
  • Destabilisierung der traditionellen Lebensweisen und sozialen Strukturen
Umweltauswirkungen und ökologische Folgen
  • Negative Auswirkungen auf die Unversehrtheit der Landschaft und Umwelt durch mangelnde verantwortungsvolle Geschäftspraktiken und gewinnorientierte Unternehmensentscheidungen (OECD 2019)
  • Notwendigkeit der Integration von „Umweltschutz- und gesellschaftlichen Kriterien in tourismuspolitische Konzepte und Programme“ (OECD 2019, S. 6) als Basis für Ankerinvestitionen
  • Verstärkung der Umweltverschmutzung
  • Steigerung der Ressourcennutzung
  • Gefahr von Wasserknappheit, Energieengpässen und Überlastung des Abfallmanagements durch Übernutzung 
  • Gefahr der Umweltzerstörung aufgrund von nachhaltigen (negativen) Eingriffen in die Ökosysteme und Landschaftsveränderungen
  • Überlastung der Destination
  • Überlastung der Infrastruktur
  • Kapazitätsengpässe
  • Weitere Belastungserscheinungen für Umwelt und Wohnbevölkerung (Kantsberger et al. 2022)
Effekte auf die Tourismusdynamik und Imagebildung 
  • Gefahr eines touristischen „Boom-and-Bust“-Zyklus
  • Risiko einer einseitigen (wirtschaftlichen) Abhängigkeit vom Tourismus bzw. von einzelnen Ankerinvestitionen sowie einer einzelnen touristischen Zielgruppe (Haarich & Plaza 2010)
  • Gefahr der Verinselung durch mangelnde Ausstrahleffekte (räumlich wie sektoral) (Harth 2014) bzw. „One-attraction town“ (Haarich & Plaza 2010)
  • Unbeständige Tourismusmärkte: Risikoanfälligkeit bei Nachfrageschwankungen und (konjunkturellen) Krisen
  • Schaffung einer isolierten Tourismusblase mit wenigen Berührungspunkten zur lokalen Wirtschaft (Haarich & Plaza 2010)
  • Fehlende Diversifizierung und Verdrängung anderer Wirtschaftssektoren (Haarich & Plaza 2010)
  • Minderung der langfristigen (wirtschaftlichen) Resilienz der Region
  • Verschärfung der Saisonalität (Haarich & Plaza 2010)
  • Verschlechterung des Images und Schädigung der Attraktivität
  • Negative Auswirkung auf das Gesamtbild der Destination durch mangelnde Berücksichtigung der regionalen Identität / der regionalen Marken in der Planung (Haarich & Plaza 2010)
  • Verschlechterung der Lebensqualität der Anwohner
  • Negative Wirkung auf das touristische Erlebnis der Besucher

Fazit

„Investitionen sind für einen wettbewerbsfähigen und nachhaltigen Tourismussektor unverzichtbar“ (OECD 2019, S. 1). Investitionen in neue technische Standards, Komfort, Qualität und Erlebnisqualität sowie (Produkt-)Innovationen sind ein wesentliches Instrument zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit von Destinationen und als Antwort auf sich verändernde Erwartungen und Bedürfnisse der Gäste und der Einheimischen unerlässlich (Kantsberger et al. 2022). Ebenso muss gehandelt werden, um bereits jetzt schwierige Aspekte (bspw. Bahnverkehr) nicht noch unattraktiver werden zu lassen und so darf der Investitionsstau der letzten Jahre nicht außer Acht gelassen werden (Hans-Böckler-Stiftung 2019). Den privatwirtschaftlichen Investitionen kommt hierbei eine große Rolle zu, da dem Tourismus als freiwillige Aufgabe der Gemeinden häufig eine geringere Priorität bei der Verteilung beschränkter finanzieller kommunaler Mittel zukommt (Bauer et al. 2021).

Ankerinvestitionen, als ein Baustein einer wettbewerbsorientierten Standortpolitik, bieten zweifellos großes Potenzial für das wirtschaftliche Wachstum und die Entwicklung von Regionen und Sektoren. Sie sind Innovationsmotoren und häufig der erste Anstoß für eine gesamtheitliche und zukunftsgerichtete Destinationsentwicklung, wenn die richtigen Weichen gestellt werden. Ankerinvestitionen sind jedoch auch mit zahlreichen Herausforderungen verbunden. Diese reichen von finanziellen und wirtschaftlichen Unsicherheiten über Umweltprobleme bis hin zu sozialen und politischen Risiken. Es ist entscheidend, dass Investoren, lokale Regierungen und andere Stakeholder eine sorgfältige Planung und Risikomanagement-Strategie entwickeln, um diese Herausforderungen erfolgreich zu meistern und den langfristigen Erfolg der Ankerinvestitionen sicherzustellen.

  • Ankerinvestition sollten als Teil einer umfassenden, langfristig angesetzten, nachhaltigen Entwicklungsstrategie für die gesamte Destination geplant und gemeinsam mit den verantwortlichen Akteuren sowie den lokalen Gemeinschaften entwickelt werden (Haarich & Plaza 2010).
  • Das setzt eine professionelle Planung sowie ein effizientes Projektmanagement mit funktionierenden Kooperationen zwischen allen Beteiligten, privatwirtschaftlichen sowie öffentlichen Akteuren voraus (z. B. über Public-Private-Partnership).
  • Eine Begleitung des Prozesses durch eine umfangreiche, regional abgestufte Öffentlichkeitsarbeit stellt einerseits das Tourismusbewusstsein der verantwortlichen Akteure vor Ort sicher und stärkt folglich die Kooperation untereinander, und zahlt andererseits enorm auf die Akzeptanz der einheimischen Bevölkerung ein (Harth 2014).

Im steigenden internationalen Wettbewerb und vor dem Hintergrund der tiefgreifenden Veränderungen durch den Klimawandel und die digitale Transformation wird der Investitionsbedarf größer und dringender, damit der Tourismus in Bayern als wichtige Branche auch in Zukunft erhalten bleibt. Nur ein stimmiges Angebot aus Infrastruktur und darauf aufbauenden touristischen Dienstleistungen, die den aktuellen Markt- und Nachfragetrends entsprechen und sich kontinuierlich anpassen, ist und bleibt ein zukunftsträchtiges Fundament für attraktive Tourismusdestinationen (Bauer et al. 2021).

Mehr zum Thema

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