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Schlagworte: Tourismuszukunft, Investitionen
Von Kristina Kastelan und Daniela Kreitmeier, 17. Dezember 2024
© iStock.com/artiemedvedev
Ankerinvestitionen im Tourismus bezeichnen bedeutende, strategische Investitionen, die das Potenzial haben, die Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftliche Entwicklung des touristischen Sektors einer Region oder eines Landes zu fördern und langfristig wirtschaftliches Wachstum zu schaffen. Diese Investitionen sind in der Regel große Projekte, die nicht nur den Tourismussektor direkt betreffen, sondern auch eine Vielzahl von Nebenindustrien anziehen, wie etwa Gastronomie, Einzelhandel, Transport und lokale Dienstleistungen. Insgesamt sind Ankerinvestitionen ein wesentlicher Baustein für die langfristige Entwicklung einer nachhaltigen und resilienten Tourismuswirtschaft und damit entscheidend für einen zukunftsfähigen Tourismus.
Der Begriff der Ankerinvestition ist in der wissenschaftlichen Literatur nicht eindeutig definiert. In der Start-Up-Szene wird der „Ankerinvestor“ als ein Investor beschrieben, „… der eine bedeutende Menge an Kapital in ein Startup investiert, um andere Investoren anzuziehen. Der Anchor Investor ist oft der erste Investor, der in ein Startup investiert und somit das Vertrauen anderer Investoren gewinnt. Dies ist besonders wichtig für Startups, die Schwierigkeiten haben, Kapital von anderen Investoren zu erhalten“ (Startup Insider GmbH 2023). Auch die Finanzwelt beschreibt den Begriff des „Ankeraktionärs“. Hiermit „werden Aktionäre bezeichnet, die einen wesentlichen Anteil an einem Unternehmen halten. […] Ankeraktionäre zeichnen sich dabei durch einen langfristigen Anlagehorizont und aktives Interesse an der Weiterentwicklung des Unternehmens aus“ (boerse.de Finanzportal GmbH o. J.).
Daran angelehnt beziehen sich Ankerinvestitionen im Tourismus, oftmals auch als „Impulsinvestition“ oder „Leitinvestition“ bezeichnet, auf groß angelegte, bedeutende Investitionen in die (touristische) Infrastruktur, Attraktionen bzw. wichtige Projekte (zuweilen auch als Leuchtturmprojekte beschrieben). Sie gelten vielfach als Zugpferde für weitere Investitionen, da sie oft einen signifikanten, nachhaltigen Einfluss auf die gesamte touristische Wertschöpfungskette haben und als „Anker“ oder Katalysator für die Entwicklung einer Region oder Destination dienen. Zu den häufigsten Formen von Ankerinvestitionen im Tourismus gehören:
Luxuriöse Hotels oder große Ferienanlagen schaffen nicht nur direkte Arbeitsplätze, sondern ziehen auch weitere Investitionen in die Region an – sei es in Form von Restaurants, Freizeitangeboten oder Infrastrukturprojekten.
Der Bau neuer Flughäfen, Hafenanlagen oder Bahnverbindungen kann ebenfalls als Ankerinvestition gelten, da er die Erreichbarkeit einer Region verbessert und damit den Tourismus fördert. Auch der Bau von großen Kongresszentren oder Messegeländen stellt eine weitere Art von Ankerinvestition dar, die sowohl für die Tourismusindustrie als auch für die lokale Wirtschaft von Bedeutung ist. Diese Investitionen ziehen Geschäftsreisende und Fachbesucher an, was zu einer Erweiterung der touristischen Infrastruktur und einer Verstärkung der regionalen Wirtschaft führt.
Themenparks und Freizeitparks sind typische Ankerinvestitionen, die darauf abzielen, große Menschenmengen anzuziehen und langfristige touristische Ströme zu generieren. Diese Parks bieten eine Kombination aus Unterhaltung, Kultur und Erlebniswelten, die oft auf den Interessen und Vorlieben eines breiten Publikums ausgerichtet sind.
Der Bau von Veranstaltungsstätten für internationale Events wie Festivals, Konzerte oder Sportwettkämpfe (z. B. Olympische Spiele oder Fußball-Weltmeisterschaften) kann langfristig als Katalysator für den Tourismus dienen.
Ankerinvestitionen bieten zahlreiche Chancen und Vorteile, die weit über die unmittelbaren Effekte hinausgehen. Sie können den Weg für nachhaltiges Wachstum ebnen, Arbeitsplätze schaffen, die touristische Attraktivität steigern, Innovationen fördern und langfristig die Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftliche Stabilität einer Region oder eines Landes stärken. Erfolgreiche Ankerinvestitionen zeichnen sich durch eine enge Zusammenarbeit zwischen öffentlichem und privatem Sektor aus. Die Bedeutung von Investitionsförderungen wurde dabei bereits erkannt und verschiedene Förderprogramme auf Bundes- und Landesebene geschaffen (Investitionsbank Schleswig-Holstein 2024; BMWK 2024; MWVLW o. J. & 2023). Staatliche Förderprogramme und Investitionsanreize können dabei helfen, die initialen finanziellen Risiken für private Investoren zu minimieren. Ebenso fördern und tätigen touristische Unternehmen Ankerinvestitionen und schaffen so Anreize für weitere Investitionen (Tourismusnetzwerk Rheinland-Pfalz 2023; Tourismusnetzwerk Thüringen 2024). Gleichzeitig sollte die lokale Bevölkerung in den Entwicklungsprozess einbezogen werden, um die sozialen und ökologischen Auswirkungen der Projekte zu berücksichtigen. Der nachstehende Überblick skizziert die wesentlichen Effekte von Ankerinvestitionen.
Obwohl Ankerinvestitionen großes Potenzial für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung bieten, sind sie auch mit zahlreichen Herausforderungen und Risiken verbunden. Diese Herausforderungen können sowohl die Investoren als auch die entsprechenden Regionen betreffen und müssen sorgfältig berücksichtigt werden, um den Erfolg der Investition langfristig sicherzustellen. Die wichtigsten Herausforderungen umfassen:
„Investitionen sind für einen wettbewerbsfähigen und nachhaltigen Tourismussektor unverzichtbar“ (OECD 2019, S. 1). Investitionen in neue technische Standards, Komfort, Qualität und Erlebnisqualität sowie (Produkt-)Innovationen sind ein wesentliches Instrument zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit von Destinationen und als Antwort auf sich verändernde Erwartungen und Bedürfnisse der Gäste und der Einheimischen unerlässlich (Kantsberger et al. 2022). Ebenso muss gehandelt werden, um bereits jetzt schwierige Aspekte (bspw. Bahnverkehr) nicht noch unattraktiver werden zu lassen und so darf der Investitionsstau der letzten Jahre nicht außer Acht gelassen werden (Hans-Böckler-Stiftung 2019). Den privatwirtschaftlichen Investitionen kommt hierbei eine große Rolle zu, da dem Tourismus als freiwillige Aufgabe der Gemeinden häufig eine geringere Priorität bei der Verteilung beschränkter finanzieller kommunaler Mittel zukommt (Bauer et al. 2021).
Ankerinvestitionen, als ein Baustein einer wettbewerbsorientierten Standortpolitik, bieten zweifellos großes Potenzial für das wirtschaftliche Wachstum und die Entwicklung von Regionen und Sektoren. Sie sind Innovationsmotoren und häufig der erste Anstoß für eine gesamtheitliche und zukunftsgerichtete Destinationsentwicklung, wenn die richtigen Weichen gestellt werden. Ankerinvestitionen sind jedoch auch mit zahlreichen Herausforderungen verbunden. Diese reichen von finanziellen und wirtschaftlichen Unsicherheiten über Umweltprobleme bis hin zu sozialen und politischen Risiken. Es ist entscheidend, dass Investoren, lokale Regierungen und andere Stakeholder eine sorgfältige Planung und Risikomanagement-Strategie entwickeln, um diese Herausforderungen erfolgreich zu meistern und den langfristigen Erfolg der Ankerinvestitionen sicherzustellen.
Im steigenden internationalen Wettbewerb und vor dem Hintergrund der tiefgreifenden Veränderungen durch den Klimawandel und die digitale Transformation wird der Investitionsbedarf größer und dringender, damit der Tourismus in Bayern als wichtige Branche auch in Zukunft erhalten bleibt. Nur ein stimmiges Angebot aus Infrastruktur und darauf aufbauenden touristischen Dienstleistungen, die den aktuellen Markt- und Nachfragetrends entsprechen und sich kontinuierlich anpassen, ist und bleibt ein zukunftsträchtiges Fundament für attraktive Tourismusdestinationen (Bauer et al. 2021).